Vorsicht vor der „Festgeld-Falle“

Gastbeitrag von Dr. Klaus Mühlbauer:

Ständig gibt es Neuerungen bei Finanzanlagen. Vielen Kunden fällt die Auswahl der für sie passenden Finanzprodukte zunehmend schwer. Da scheinen die wieder positiven Zinserträge der altbekannten Festgeldkonten wie gerufen zu kommen. Vom hellen Schein der Zinsvergleichsportale sollte man sich jedoch nicht blenden lassen, denn sowohl die Abgeltungsteuer als auch das „Nagetier der Inflation“ knabbern an den üppig erscheinenden Zinserträgen. Zudem scheint die Wahrscheinlichkeit sinkender Zinsen hoch. Was Steuer, Kaufkraftverlust und Zinsänderungen mit Festgeldern zu tun haben, dazu hat sich Dr. Klaus Mühlbauer, Referent für Kapitalmarktseminare, Gedanken gemacht.

Dr. Klaus Mühlbauer ist Kapitalmarktexperte mit langjähriger Börsen- und Vertriebserfahrung. Seit 2013 ist er als selbstständiger Unternehmensberater, Buchautor und Referent für Kapitalmarktseminare tätig. In unserem Online-Magazin beleuchtet er den Finanzmarkt und teilt sein Investment-Know-how.

Festgeldkonten – diese 3 Sätze höre ich ständig

Mit den Zinserhöhungen der Zentralbanken seit Sommer 2022 sind Festgeldkonten wieder in den Fokus von Anlegern gerückt. Warum auch nicht, denn Festgeld-Fans werden nicht müde, drei Vorteile zu betonen:

  1. Festgelder sind einfach zu verstehen.
  2. Kontensalden schwanken nicht.
  3. Bei Festgeldkonten fallen keine Kosten an.

Allerdings sind gerade jetzt Festgelder mit Vorsicht zu genießen, denn Änderungen beim Leitzins schlagen bei kurzfristigen Anlagen schnell durch. Sollte sich mit sinkenden Zinsen die Meinung zahlreicher Marktteilnehmer im Laufe des Jahres bewahrheiten, könnten Festgeldzinsen rasch weiter sinken.

Viele „Häuslebauer“ haben mit Zinsänderungen schlechte Erfahrungen gemacht. Bis vor wenigen Jahren konnten sie sich für 10-jährige Zinsfestschreibungen attraktive Darlehenskonditionen sichern. Nicht selten stand eine Null vor dem Komma. Nach den rapiden Zinserhöhungen kann die Prolongation einer Baufinanzierung jetzt teuer werden. Was bei Sollzinsen geschehen ist, könnte zukünftig auch bei Habenzinsen passieren, nur mit anderem Vorzeichen. Noch bieten Banken attraktive Zinsen für Festgelder, doch wer weiß, wie lange noch.

Unabhängig von Zinsbewegungen lohnt sich zudem eine genaue Rechnung, die sowohl Steuerabzüge als auch den Kaufkraftverlust berücksichtigt. Nach Ausschöpfung des Sparerpauschbetrags von 1.000 € pro Person bzw.  2.000 € pro gemeinsam veranlagtem Ehepaar, fallen für darüber hinausgehende Zinseinnahmen Abgeltungsteuer sowie gegebenenfalls Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag an. In der Summe etwa bis zu 28 %.

Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass lediglich bei Zinseinnahmen unterhalb des Sparerpauschbetrags Festgelder eine höhere Kaufkraft nach Steuer- und Inflationsabzug bieten. Je höher die angelegten Beträge sind, desto intensiver macht sich das „Nagetier der Inflation“ bemerkbar. Die angenommenen 3 % Festgeldzins reichen nicht aus, um die Kaufkraft des Kapitals bei ebenfalls 3 % Teuerungsrate zu erhalten.

Festgeldbetrag zuzüglich Zinsen abzüglich Steuer und Inflation

Ursprüngliche Summe Festgeld3 % Zins für 12-Monats-FestgeldSparerpauschbetrag für eine PersonFällige Abgeltungsteuer etc. 28 %Inflationsrate 3 % führt zu Kaufkraftverlust 2,91 %Kaufkraft nach Zinsen, Steuer und Inflation
25.000 €750 €1.000 €0 €728 €25.022 €
50.000 €1.500 €1.000 €140 €1.456 €49.904 €
100.000 €3.000 €1.000 €560 €2.913 €99.527 €
Quelle: Inflationsrechner: Was ist Dein Geld in der Zukunft wert? (finanztip.de), eigene Berechnungen (Zahlen teilweise gerundet). Der Kaufkraftverlust bezieht sich auf 12 Monate und ausschließlich auf den ursprünglichen Festgeldbetrag. Die zugrundeliegende durchschnittliche Inflationsrate beträgt 3 %, was einem Kaufkraftverlust von 2,91 % entspricht. Die Zinserträge sind nicht um die Inflationsrate reduziert.

So verlockend die Vorteile von Festgeldkonten erscheinen, so gnadenlos zeigt diese Berechnung, dass die Inflation ein echter Spielverderber für Festgeld-Fans ist.

Inflation, der „stille Killer“

Ende 2023 summierte sich das Geldvermögen in Deutschland auf 7,9 Bill. €. Davon wurden 3,2 Bill. € – immerhin mehr als 40 % – in Form von Bargeld und Einlagen gehalten.* So weit, so bekannt. Ein Teil dieser liquiden Mittel wird für den täglichen Zahlungsverkehr benötigt, auch für plötzlich anfallende Zahlungen werden Liquiditätsreserven gebraucht. Wer jedoch Festgeld als langfristige Anlage definiert, vergisst die Teuerung. Festgeldkonten und langfristige Anlagehorizonte passen nicht zusammen.

Verlauf von Inflationsrate und Festgeldzins seit Januar 2021
Durchschnittlicher Zinssatz für Festgelder für 12 Monate ab 25.000 €. Quellen: Zinsentwicklung Festgeld – Statistiken und Rating-Zins-Auswertung (tagesgeldvergleich.net), Inflationsrate 2021: +3,1 % gegenüber dem Vorjahr – Statistisches Bundesamt (destatis.de), Inflationsrate im Jahr 2022 bei +7,9 % – Statistisches Bundesamt (destatis.de), Inflationsrate im Jahr 2023 bei +5,9 % – Statistisches Bundesamt (destatis.de)

Die Grafik zeigt, dass bereits vor dem dramatischen Anstieg der Inflation der durchschnittliche Festgeldzins unterhalb der Teuerungsraten lag. Die „Auseinandersetzung“ von Inflation und Festgeldzins geht meistens zugunsten der Inflation aus. Festgeldinhaber haben das Nachsehen. Kurzfristig merkt man das kaum. Auf Sicht von mehreren Jahren schmerzt jedoch die abhanden gekommene Kaufkraft sehr.

Sollten sich die Preissteigerungen verlangsamen, die Inflation also wieder sinken, werden die Zinsen rasch dieselbe Richtung einschlagen. Wirtschaft und Börse warten darauf.

Fondspolicen – diese 3 Punkte sollten Sie nicht ignorieren

Fondspolicen kann man gewissermaßen als Gegenstück zu Festgeldkonten sehen, denn sie sind komplex. Zudem sind häufig Aktien- und Mischfonds ihre „Renditemotoren“. Fonds wiederum schwanken zum Teil stark in ihrem Wert und für ihre Verwaltung fallen Kosten an. Entscheidend bei Fondspolicen sind jedoch drei positive Leistungseigenschaften:

  1. Aktien- und Mischfonds bieten Chancen auf ausreichend hohe Erträge, um Gelder auch nach Abzug von Kosten, Steuern und Inflation zu vermehren.
  2. Rentenversicherungsverträge können für darin gelagerte Fonds sehr disziplinierend wirken und Kunden vor übereiltem prozyklischem Handeln schützen.
  3. Kursschwankungen können durch regelmäßige Käufe zu günstigen Einstandskursen genutzt werden (Cost-Average-Effekt).

Am besten wägen Sie mit Ihren Kunden gemeinsam die jeweiligen Vorteile von Festgeldern und Fondspolicen ab und besprechen mögliche Gewichtungen. Schließlich können Kunden ja das eine tun, ohne das andere zu lassen. Der „Festgeld-Falle“ zu entgehen, lohnt sich besonders vor möglichen Zinssenkungen.

Vielleicht möchten Ihre Kunden einen Teil ihres Vermögens zügig in Fondspolicen investieren, denn bei allen Finanzanlagen gilt: Entscheidend ist, was am Ende herauskommt – und zwar nach Kosten, Steuern und Inflation. Erinnern Sie Ihre Kunden gerade im aktuellen Marktumfeld an ein altes deutsches Sprichwort: „Der Zins hat schnelle Füße – er läuft davon, bevor Du Dich umsiehst!“


* Bundesbank, BSW DZ Bank Anlagejahr 2023: Privates Geldvermögen wächst dank Aktienkursgewinnen kräftig (dzbank.de)

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