Einmalanlage – das unterschätzte Potenzial für den LV-Vertrieb

Die deutschen Lebensversicherer schöpfen das Potenzial der Einmalanlage kaum aus – weniger als 10 % dessen, was möglich wäre, wird tatsächlich genutzt.

Bei einer Einmalanlage in eine Lebensversicherung investiert der Kunde einen größeren Geldbetrag einmalig in eine Versicherungspolice, anstatt diese über die Laufzeit mit regelmäßigen Prämien zu besparen.

Das Geschäft mit Einmalanlagen spricht eine spezifische Kundengruppe an: Menschen mit ausreichendem Kapital, sei es durch Ersparnisse, eine Erbschaft oder die Wiederanlage einer auslaufenden Versicherungspolice. Diese Kunden suchen gezielt nach passenden Anlagelösungen – eine Chance, die der LV-Vertrieb konsequenter nutzen kann.

So entwickelt sich der Markt der Einmalanlage in der Lebensversicherung

Nach dem Höhepunkt im Jahr 2020 befindet sich das Neugeschäft mit Einmalanlagen in der Lebensversicherung wieder auf dem Rückzug.

Volumen des Neugeschäfts mit der Einmalanlage in der Lebensversicherung
Quelle: Zahlenwerte vom Gesamtverband der Versicherer (www.gdv.de), eigene Aufbereitung

Im Jahr 2023 ist die Branche in etwa wieder auf das Niveau des Jahres 2011 zurückgefallen. Wir werden noch sehen, dass selbst in den erfolgreichen Jahren 2019 bis 2021 nur ein Bruchteil von dem, was tatsächlich möglich war, von den Lebensversicherern bei der Einmalanlage eingesammelt werden konnte.

Gründe, warum es bei der Einmalanlage nicht läuft

Grund 1: Fehlende attraktive Produkte in der Sparphase

Ein zentraler Faktor für das schwache Wachstum der Einmalanlage liegt im Produktangebot der Lebensversicherer in der Sparphase. Ein Blick auf den Markt- und Höchstrechnungszins verdeutlicht das Problem.

Vergleich von Markt- und Höchstrechnungszins
Quelle: Der hier gezeigte Marktzins wird durch die Umlaufrendite repräsentiert. Sie kann über die Website der Deutschen Bundesbank (www.bundesbank.de) abgerufen werden.

Von 2019 bis 2021 lagen die Marktzinsen sogar im negativen Bereich, während der Höchstrechnungszins deutlich darüber lag. Klassische Lebensversicherungsprodukte wurden dadurch für die Einmalanlage besonders attraktiv – ein zentraler Treiber für die damalige Hochphase des Neugeschäfts.

Seit 2022 hat sich das Zinsumfeld jedoch gedreht: Marktzinsen von rund 3 % p. a. liegen inzwischen weit über dem Höchstrechnungszins, selbst nach dessen Anhebung auf 1 % p. a. zum Jahreswechsel. Marktnahe Anlageprodukte der Banken sind dadurch deutlich wettbewerbsfähiger und attraktiver geworden.

In der Vergangenheit haben die Lebensversicherer auf sinkende Zinsen und volatile Märkte mit verschiedenen Produktansätzen wie Hybridprodukten, Select-Produkten und der modernen Klassik reagiert.

Auf den jüngsten Zinsanstieg waren sie aber nicht gut vorbereitet. Insbesondere bei kurzen und mittleren Laufzeiten – genau dem Bereich, der für die Einmalanlage entscheidend ist – fehlen vielfach noch immer marktorientierte Produkte mit Sicherheiten oder Garantien.

Statt die gestiegenen Marktzinsen strategisch zu nutzen, klafft in vielen Produktportfolios weiterhin eine Lücke. Die fehlende Anpassung des Angebots erklärt maßgeblich den Rückgang des Neugeschäfts mit Einmalanlagen seit dem Jahr 2022.

Grund 2: Die Wiederanlage bleibt weiterhin das Waterloo der Lebensversicherer

Ein Teil des brachliegenden Potenzials bei Einmalanlagen liegt in der Wiederanlage.

Bei der Wiederanlage wird das frei werdende Guthaben aus einer ablaufenden Kapital- oder Rentenversicherung ganz oder teilweise in eine neue Police beim selben Lebensversicherer investiert.

Wie groß dieses Potenzial ist, zeigt ein Blick auf die planmäßigen Auszahlungen aus Kapital- und Rentenversicherungen.

Planmäßige einmalige Auszahlungen aus Kapital- und Rentenversicherungen
Quelle: Zahlenwerte vom Gesamtverband der Versicherer (www.gdv.de), eigene Aufbereitung

Das Volumen lag in den vergangenen Jahren stets bei rund 40 Mrd. € oder mehr. Im Jahr 2023 erreichte es rund 46 Mrd. € – das entspricht täglichen Auszahlungen von etwa 130 Mio. €.

Vergleicht man diese Auszahlungen mit dem Neugeschäft in der Einmalanlage, wird das Problem offensichtlich: Die Lebensversicherer zahlen mehr aus, als sie durch neue Einmalanlagen zurückholen. Selbst im Boomjahr 2020 überstiegen die gesamten Auszahlungen das Neugeschäft mit Einmalanlagen – im Jahr 2023 wurde fast doppelt so viel ausgezahlt.

Sonderlich erfolgreich können die Lebensversicherer bei der Wiederanlage also nicht sein. Es gibt jedoch kaum öffentlich zugängliche Statistiken zu den Wiederanlagequoten der deutschen Lebensversicherer. Ein paar Anhaltspunkte haben wir dennoch gefunden:

Die Wiederanlagequoten sind sehr niedrig und vor allem kommen die Lebensversicherer seit Jahren nicht vom Fleck.

Bei der Wiederanlage kommen verschiedene Faktoren zusammen: Kundenwunsch, Bequemlichkeit und Einfachheit bei der Wiederanlage, Kundenerfahrung beim aktuellen Anbieter und die Kundenbindung.

Die meisten der Kunden mit auslaufenden Verträgen dürften 60 Jahre und älter sein. Bei ihnen geht es oft um mehr als eine reine Neuinvestition – die Wiederanlage ist gleichzeitig ein wichtiger Baustein in ihrer Ruhestandsplanung. Genau hier kann der LV-Vertrieb gezielter ansetzen.

Grund 3: Unzureichendes Produktangebot in der Park- und Rentenphase

Eine klassische lebenslange Rente als alleinige Lösung für die Rentenphase reicht heute nicht mehr aus. Sich nur auf den USP der garantierten lebenslangen Auszahlung zu verlassen, wird den Bedürfnissen der Kunden nicht gerecht. Moderne Kunden erwarten Flexibilität.

Sie möchten

Ein Produkt, das diese 3 Punkte vereint, würde den heutigen Anforderungen an eine moderne Altersvorsorge gerecht werden.

Mehr zu Entnahmeplan und Auszahlungsplan in meiner aktuellen kurz & knapp-Reihe „1001 Anlagemöglichkeiten für den Ruhestand“.

Grund 4: Die verpassten Chancen in der Kommunikation

Die klassische „All-In-Mentalität“ im Vertrieb funktioniert nicht. Kunden wollen nicht ihre gesamten Ersparnisse oder das vollständige Guthaben aus einer auslaufenden Police in eine Rentenversicherung stecken. Ein Vertriebsansatz, der diesen Weg propagiert, wird zwangsläufig scheitern.

Stattdessen braucht es eine ganzheitliche Ruhestandsplanung, die dem Kunden alle Möglichkeiten aufzeigt – so übersichtlich und transparent wie offene Spielkarten auf dem Tisch. Welche Optionen gibt es? Welche Vor- und Nachteile hat jede einzelne davon?

Dieses Prinzip gilt besonders für die Wiederanlage. Hier kommt aber noch ein entscheidender Punkt hinzu: Versicherer müssen dem Kunden verständlich vermitteln, wie sich sein bisheriges Produkt für ihn bewährt hat:

Diese Form der Kommunikation bleibt derzeit völlig aus. Lieber stecken die Lebensversicherer den Kopf in den Sand – und lassen damit auch die Möglichkeit liegen, den Kunden jährlich vernünftig über seinen Vertrag zu informieren. Vernünftig heißt vor allem so, dass der Versicherungsnehmer die Chance hat, es zu verstehen. Einfache Worte. Einfache Sprache. Kommunikation schafft Bindung. Gute und überzeugende Kommunikation schafft sogar Vertrauen.

Das kann der LV-Vertrieb realistisch angreifen

Das gesamte Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland hat Ende des dritten Quartals im Jahr 2024 mit rund 9.000 Mrd. € einen neuen Höchststand erreicht.3

Ein erheblicher Teil dieses Volumens steckt aktuell in einer Liquiditätsreserve: 2.140 Mrd. € liegen in Bargeld und Einlagen auf Giro- oder Tagesgeldkonten vor.3 Setzt man als sinnvolle Liquiditätsreserve 15 % des gesamten Geldvermögens an, so verbleiben davon rund 800 Mrd. € als potenzielles Anlagevolumen für die Einmalanlage.

Rund 1.100 Mrd. € sind in Investmentfonds investiert und rund 100 Mrd. € liegen in strukturierten Produkten bei Banken vor.3

Mit einer ganzheitlichen Ruhestandsplanung schätze ich den realistisch erreichbaren Markt für die Einmalanlage in der Lebensversicherung auf mehrere hundert Mrd. € – ein Vielfaches des heutigen Neugeschäfts mit Einmalanlagen.

Das sollte der LV-Vertrieb beherzigen

Es geht um sehr viel Geld – Kapital, das aus Kundensicht oft nicht optimal angelegt ist. Das Potenzial für Neugeschäft mit Einmalanlagen ist enorm, aber es wird sich nicht von selbst realisieren.

Die richtige Kundenansprache ist entscheidend. Einmalanlagen sind keine Selbstläufer, die man nebenbei mitnimmt – sie erfordern eine gezielte, durchdachte Strategie. Eine ganzheitliche Ruhestandsplanung führt zwangsläufig dazu, dass ein beachtlicher Teil des Vermögens des Kunden in eine Rentenpolice fließen wird – weil es einfach sinnvoll für ihn ist.

Damit das gut funktioniert, muss sich der Vertrieb auf Anbieter konzentrieren, die moderne und flexible Produkte bieten. Der Kunde sollte in einer einzigen Police sein Kapital parken, investieren und bei Bedarf auch verzehren können.

Alle Versicherer, die dem Vertrieb derzeit kein solches optimales Produkt an die Hand geben, sollten für den Moment ausgesiebt werden.


Quellen und Anmerkungen

1 Entnommen aus dem Assekurata Newsletter Nr. 60 / Jahrgang 2017 abgerufen unter dem Link https://www.assekurata.de/wp-content/uploads/2021/10/Assekurata-Newsletter_60.pdf (letztmals abgerufen am 10.02.2025)
2 Entnommen aus dem Artikel des Online-Magazins von Procontra abgerufen unter dem Link https://www.procontra-online.de/maklerburo/artikel/so-wird-die-wiederanlage-profitabel (letztmals abgerufen am 10.02.2025)
3 Entnommen aus dem Monatsbericht Januar 2025 der Deutschen Bundesbank. Der Bericht kann über den nachfolgenden Link abgerufen werden: https://publikationen.bundesbank.de/publikationen-de/berichte-studien/monatsberichte (letztmals abgerufen am 10.02.2025)

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