
10 Dinge, die Sie über Hybridprodukte wissen müssen
Nummer 1: So sind die Hybridprodukte entstanden
Als ich im Jahr 2004 bei Gerling Leben die Versicherungswelt zum ersten Mal beruflich betreten habe, waren sie schon da – die Hybridprodukte.
Nur wenige Jahre zuvor wurde durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) die Riester-Rente eingeführt – verbunden mit der Anforderung einer Beitragsgarantie. Gleichzeitig wuchs am Kapitalmarkt das Verlangen nach Performance-Chancen. Die klassische Lebensversicherung bot dafür schon damals zu geringe Renditeperspektiven und verlor zunehmend an Attraktivität im Vertrieb. Die reine fondsgebundene Lebensversicherung hingegen scheiterte regulatorisch – ihr fehlte die notwendige Garantie.
Was also tun? Die Antwort der Produktentwickler: Warum nicht das Beste aus beiden Welten kombinieren? Die bewährte Klassik liefert die nötige Sicherheit, die fondsgebundene Anlage eröffnet Renditechancen. Hybridprodukte waren geboren – und wurden zum Königsweg, den fast alle Lebensversicherer beschritten.
Rückblickend war die Geburt der Hybridprodukte eine der markantesten Produktinnovationen im deutschen Lebensversicherungsmarkt.
Auch in der Bankenwelt war das hybride Denken nicht neu: Garantiefonds wie die ABN AMRO Target Click Funds oder strukturierte Produkte wie Kapitalschutz-Zertifikate verfolgten schon wesentlich früher ähnliche Ansätze.
Nummer 2: So wichtig sind Hybridprodukte für die deutschen Lebensversicherer
Aus dem Neugeschäft der Lebensversicherer sind Hybridprodukte heute kaum wegzudenken. In der GDV-Statistik¹ werden sie als eigenständige Produktgruppe – als „Mischformen mit Garantie“ – mittlerweile separat ausgewiesen. Und das zurecht: Zum Jahresende 2024 machte diese Produktgattung rund 28 % der Gesamtbeiträge im Lebensversicherungsgeschäft aus. Anders gesagt: Mehr als jeder vierte Euro an Beitrag entfällt heute auf diese Mischformen. Zum Vergleich: Reine fondsgebundene Policen liegen mit einem Anteil von knapp 15 % deutlich dahinter.
Auch bei der Zahl der Neuverträge zeigt sich ein ähnliches Bild: Laut der gleichen GDV-Statistik² lag der Anteil im Jahr 2024 bei über 27 % – auch hier vor den rein fondsgebundenen Policen. Hybridprodukte sind damit nicht nur ein wichtiger Teil der Bestände, sondern auch Motor des Neugeschäfts.
Da soll doch mal einer sagen, dass die Lebensversicherungsbranche in den letzten Jahrzehnten keine erfolgreichen Innovationen hervorbringen konnte.
In den letzten Jahren hat sich dieser Trend zu Hybridprodukten sogar verstärkt. Klassik, Moderne Klassik und auch Select-Produkte spielen im Neugeschäft zunehmend eine untergeordnete Rolle. Viele Lebensversicherer halten an ihrem konventionellen Sicherungsvermögen („Deckungsstock“) fest – sei es aus strategischen, bilanziellen oder regulatorischen Gründen.
Hybridprodukte bleiben daher für viele Gesellschaften die naheliegende – teils auch alternativlose – Lösung, um Sicherheit und Renditechancen im Neugeschäft zu verbinden.
Nummer 3: Das sind die Anlagetöpfe von Hybridprodukten
Hybridprodukte bestehen mindestens aus 2 verschiedenen Anlagetöpfen.
Der Klassik-Topf ist das konventionelle Sicherungsvermögen des Lebensversicherers. Seine Kapitalanlage erinnert – bei einem Rentenanteil von fast 80 % im Branchenschnitt – eher an einen defensiven Mischfonds. Anders als ein Mischfonds muss ein Lebensversicherer damit aber auch eine Garantie sicherstellen. Mit dem Kalkulationszins wird die vertraglich garantierte Ablaufleistung bei einem Hybridprodukt erzeugt. Der Kalkulationszins ist durch den Höchstrechnungszins, derzeit 1 % p. a., limitiert. Die jährlich deklarierte laufende Verzinsung entspricht der Performance des Klassik-Topfs.
Der FLV-Topf, auch als freie Fondsanlage bezeichnet, wird vom Kunden selbst aus einem breiten Fondsuniversum zusammengestellt. Die Performance dieses Anlagetopfs hängt also unmittelbar von der Auswahl des Kunden ab – aktiv gemanagte Fonds, ETFs oder gemanagte Portfolios stehen meist zur Verfügung. Wie bei der reinen FLV lässt sich die Fondsauswahl während der Vertragslaufzeit anpassen. Der Kunde entscheidet also selbst über „Wohl und Wehe“ seiner freien Fondsanlage.
Bei dynamischen Hybridprodukten kommt häufig ein dritter Topf hinzu: der Wertsicherungsfonds. Dabei handelt es sich um einen Investmentfonds mit eingebauter, kurzfristiger Wertsicherung. Ein Beispiel zur Wertsicherung: Der Fondswert wird am Monatsende nicht unter 80 % des Monatsanfangswerts fallen.
Die konkrete Ausgestaltung kann variieren – in der Regel gilt: Je höher das Sicherungsniveau, desto begrenzter die Performance-Chancen.
Wertsicherungsfonds orientieren sich häufig an bekannten Indizes wie dem DAX® oder dem EuroStoxx 50®. Einige verwenden auch eigene Indizes, die verschiedene Anlageklassen kombinieren. Die Wahl des Index ist entscheidend für die Performance. Ist der Index beispielsweise zu defensiv, leidet natürlich auch die Performance des Wertsicherungsfonds.
Wichtig ist: Nicht nur der Inhalt der Anlagetöpfe zählt – sondern auch wie und wann sie eingesetzt werden. Darüber entscheidet die Anlagestrategie des Hybridprodukts.
Nummer 4: Das sind die Anlagestrategien von Hybridprodukten
Die Anlagestrategie eines Hybridprodukts bestimmt, wann und wie die einzelnen Anlagetöpfe im Laufe der Vertragsdauer genutzt werden. Typischerweise unterscheidet man 2 Varianten: die statische und die dynamische Strategie.
Die statische Strategie
Die statische Strategie war zuerst da. Hier kommen 2 Töpfe zum Einsatz: der Klassik-Topf und der FLV-Topf. Alle in den Vertrag fließenden Nettobeiträge werden fest aufgeteilt – und diese Verteilung bleibt über die gesamte Laufzeit bestehen. Ein Umschichten zwischen den Töpfen findet nicht statt – daher spricht man von einer statischen Anlagestrategie.
Beispiel zur statischen Anlagestrategie
Wir betrachten einen Vertrag mit einer Einmalanlage von 100.000 €, 20 Jahren Laufzeit und einer Beitragsgarantie von 100 %. Wie viel in den Klassik-Topf investiert werden muss, hängt von der Laufzeit, dem Kalkulationszins sowie der Garantiehöhe bei Ablauf des Vertrages ab.
- Der Barwert der Garantie bei Ablauf wird unter Annahme eines Kalkulationszinses von 1 % p. a. berechnet: 81.955 €.
- Dieser Betrag wird in den Klassik-Topf investiert, um die Garantie am Ende der Vertragslaufzeit in 20 Jahren sicherzustellen.
- Der Rest der Einmalanlage – 18.045 € – geht in die freie Fondsanlage. Dies unter der Annahme, dass zu Vertragsbeginn keine Kosten anfallen. Ansonsten wäre der Investitionsbetrag in die freue Fondsanlage entsprechend niedriger.
Bei einer Beitragsgarantie von z. B. 80 % würde der Anteil der freien Fondsanlage zwar höher ausfallen, läge aber dennoch unter 35 %.
Fazit: In der Praxis verhalten sich Hybridprodukte mit einer statischen Anlagestrategie und mit hohen Garantien stark wie klassische Lebensversicherungen – mit einem kleinen Fondsanteil.
Die dynamische Strategie
Bei einer dynamischen Anlagestrategie kommen in der Regel 3 Töpfe zum Einsatz: der Klassik-Topf, der FLV-Topf und ein Wertsicherungsfonds. Das gesamte Vertragsguthaben wird monatlich neu aufgeteilt – daher die Bezeichnung dynamisch.
Das erste dynamische Hybridprodukt hat im Jahr 2006 das Licht der Welt erblickt: TwoTrust von Gerling Leben.
Die Rolle des Wertsicherungsfonds: Durch seine kurzfristige Verlustbegrenzung, etwa auf 80 % pro Monat, kann der Wertsicherungsfonds höhere Fondsquoten im Gesamtvertrag ermöglichen – solange die Garantie bei Ablauf des Vertrages nicht gefährdet ist.
Bei einer dynamischen Anlagestrategie spielt daher bei der Aufteilung des Guthabens auf die verschiedenen Anlagetöpfe auch die Ausgestaltung der Wertsicherung des Wertsicherungsfonds und dessen Performance eine Rolle.
Grundlage für die Anlagestrategie und die monatliche Neuaufteilung des Vertragsguthabens bei Hybridprodukten mit dynamischer Anlagestrategie ist der sogenannte Verlust-Puffer.
Exkurs: Theoretische Grundlagen zu den (monatlichen) Umschichtungen
Zu jedem Monatsbeginn wird der sogenannte Verlust-Puffer ermittelt. Dieser Verlust-Puffer ist die Differenz aus dem aktuellen Vertragsguthaben und dem Barwert der Garantie zum Ende des aktuellen Monats.
Ist dieser Verlust-Puffer geringer als der maximal mögliche Verlust beim Wertsicherungsfonds innerhalb eines Monats, kann die komplette Einmalanlage nicht vollständig in die Fondsanlage investiert werden. Das Vertragsguthaben wird dann so zwischen Klassik-Topf und Wertsicherungsfonds aufgeteilt, dass der Verlust-Puffer gerade ausreicht, um den maximal möglichen Verlust im Wertsicherungsfonds aushalten zu können, ohne die Garantie bei Ablauf des Vertrages zu gefährden.
Der Klassik-Topf ist also die letzte Instanz zur Sicherung der Garantie. Es ist praktisch wie eine Art Festgeld mit monatlicher Verfügbarkeit und einer zugesicherten Verzinsung in Höhe des Kalkulationszinses. Als Daumenregel gilt: Es wird umso mehr im Klassik-Topf angelegt, je weniger Verlust-Puffer vorhanden ist.
Ist der Verlust-Puffer größer als der maximal mögliche Verlust im Wertsicherungsfonds innerhalb eines Monats, so wird die Einmalanlage zwischen Wertsicherungsfonds und FLV-Topf aufgeteilt. Es wird dann nur so viel in den Wertsicherungsfonds investiert, dass der maximal mögliche Verlust im Wertsicherungsfonds gerade dem Puffer entspricht.
Schauen wir uns das konkret an einem Beispiel an.
Beispiel zur dynamischen Anlagestrategie
Betrachten wir das gleiche Beispiel wie oben: Einmaleinlage in Höhe von 100.000 €, 20 Jahre Laufzeit und Beitragsgarantie bei Ablauf in Höhe von 100 % der Einmalanlage. Ebenso vernachlässigen wir auch in diesem Beispiel alle Kosten.
- Bei Vertragsbeginn wird im ersten Schritt der Barwert der Garantie zum Ende des ersten Vertragsmonats anhand des Kalkulationszinses in Höhe von 1 % p. a. ermittelt: 82.023 €. So viel Vertragsguthaben muss am Ende des ersten Monats noch mindestens vorhanden sein, um die Garantie bei Ablauf sicher zu stellen.
- Dann wird die Differenz aus der Einmalanlage und diesem Barwert ermittelt: 17.977 €. Diese Differenz entspricht gerade dem Verlust-Puffer.
- Nehmen wir an, der Wertsicherungsfonds ist mit einer Wertsicherung von 80 % ausgestattet. Dann muss zur Absicherung der Garantie der Klassik-Topf teilweise genutzt werden. Bei einer vollständigen Investition der 100.000 € in den Wertsicherungsfonds wäre der maximal mögliche Verlust (20.000 €) größer als der vorhandene Verlustpuffer.
- Investieren wir rund 89.930 € in den Wertsicherungsfonds und den Rest der Einmalanlage (10.070 €) in den Klassik-Topf, so wären am Ende des ersten Monats im schlimmsten Fall (d.h. 20 % Verlust im Wertsicherungsfonds) immer noch 82.023 € als Vertragsguthaben übrig – also genug, um den kompletten Betrag dann in den Klassik-Topf zu investieren und immer noch die Garantie am Ende des Vertrages sichern zu können.
Diese Berechnung auf Basis des aktuellen Vertragsguthabens und dem aktuellen Barwert der Garantie wird monatlich ausgeführt und führt je nach Wertentwicklung der aktuell genutzten Anlagetöpfe zu einer Neuallokation des Vertragsguthabens.
Mein Tipp: Werfen Sie am Ende des Artikels einen Blick in mein Illustrations-Tool für Hybridprodukte. Dort können Sie die Wertentwicklung und die monatlichen Umschichtungen nachverfolgen.
Nummer 5: Es geht zwar auch ohne Wertsicherungsfonds, aber…
In den letzten Jahren haben die Wertsicherungsfonds bei dynamischen Hybridprodukten stark an Glanz verloren. Die Performance vieler dieser Fonds blieb deutlich hinter den Erwartungen zurück – mit der Konsequenz, dass sich die Vertragsguthaben der Kunden schlechter entwickelt haben als erhofft, weil einfach zu viel des Guthabens im konventionellen Sicherungsvermögen investiert werden musste. In der Folge haben einige Lebensversicherer im Neugeschäft gänzlich auf den Einsatz eines Wertsicherungsfonds verzichtet.
Doch ein Verzicht auf den Wertsicherungsfonds ist keineswegs neutral zu bewerten. Vermittler und Kunden müssen hier genauer hinschauen:
- Der Anbieter könnte de facto zur statischen Anlagestrategie zurückgekehrt sein. Das bedeutet: keine Umschichtungen mehr, keine monatliche Neuausrichtung der Anlage – und damit auch deutlich eingeschränkte Performance-Chancen. Was auf dem Papier noch wie ein dynamisches Hybridprodukt aussieht, entpuppt sich faktisch als statisch. Für den Kunden ist das ein Rückschritt.
- Der Anbieter versucht, die monatliche (oder auch tägliche) Wertsicherung ohne einen Wertsicherungsfonds abzubilden. Doch dabei stellt sich die Frage: Wer übernimmt die Aufgabe der Wertsicherung? Wie genau funktioniert das neue Sicherungskonzept? Und welche Kosten entstehen dadurch? Und was passiert, wenn diese Wertsicherung nicht funktioniert? Denn: Eine Wertsicherung ist nicht kostenlos. Wird sie nicht durch einen Wertsicherungsfonds erbracht, übernimmt vermutlich jemand anderes diese Absicherung – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Rendite versteht sich. Oder der „zweite Topf“ in der dynamischen Anlagestrategie ist fast so zahm wie das konventionelle Sicherungsvermögen, womit der Kunde leider auch nicht viel gewonnen hat.
Eine aktuelle Analyse von Morgen & Morgen gemeinsam mit der Alte Leipziger zeigt: Ein dynamisches Hybridprodukt mit Wertsicherungsfonds kann dem Pendant ohne Wertsicherungsfonds im Hinblick auf die Rendite überlegen sein.3
Der Wertsicherungsfonds mag seine Schwächen haben – doch wer ihn einfach streicht, muss sehr gute Antworten liefern.
Für Vermittler und Kunden heißt das in jedem Fall: genauer hinschauen, wie „dynamisch“ ein Produkt tatsächlich ist – und woher die Wertsicherung kommt.
Nummer 6: Der Kalkulationszins ist nicht ganz unwichtig
Der Kalkulationszins ist mehr als nur eine Rechengröße im Hintergrund. Er spielt eine zentrale Rolle bei der Allokation des Vertragsguthabens – und damit bei der Performance von Hybridprodukten. Alle Hybridprodukte – ob statisch oder dynamisch – haben eines gemeinsam:
Je niedriger der Kalkulationszins, desto mehr muss in den Klassik-Topf investiert werden, um die Garantie bei Ablauf sicherzustellen.
Der Grund ist einfach: Mit einem niedrigen Zins lässt sich ein gegebener Garantiebetrag nur durch eine entsprechend höhere Investition in die „sichere“ Anlage erreichen. Und das bedeutet automatisch: weniger Spielraum für die chancenreichere Anlage.
Besonders sichtbar wird dieser Effekt bei den üblichen Garantieniveaus von 70 % und mehr: Auch bei dynamischen Hybridprodukten sorgt ein niedriger Kalkulationszins dafür, dass ein nicht unerheblicher Anteil in der klassischen Anlage investiert sein kann.
Mein Tipp: Nutzen Sie mein Illustrations-Tool für Hybridprodukte am Ende des Artikels. Variieren Sie den Kalkulationszins und beobachten Sie, wie sich die Aufteilung zwischen den Anlagetöpfen verändert – und damit auch die Chancen für Ihre Kunden.
Nummer 7: Kein Hybridprodukt gleicht dem anderen
Ein Cabrio von Mercedes fährt sich anders als eines von BMW. Und auch ein Geländewagen ist nicht gleich Geländewagen. Genauso verhält es sich mit Hybridprodukten in der Lebensversicherung.
Was auf den ersten Blick wie ein einheitliches Produktkonzept wirkt, unterscheidet sich bei näherem Hinsehen teils erheblich – von Anbieter zu Anbieter, aber auch innerhalb der verschiedenen Produktgenerationen. Hier ein Überblick über einige der wichtigen Differenzierungsmerkmale:
a) Klassik-Topf: Der Kalkulationszins beeinflusst, wie viel Kapital im Klassik-Topf landen muss, um die Garantie zum Laufzeitende sicherzustellen. Ein niedriger Zins bedeutet automatisch: mehr Klassik, weniger Fonds. Dazu kommt: Die Performance im Klassik-Topf (übersetzt: die laufende Verzinsung) variiert nicht nur von Jahr zu Jahr, sondern auch von Versicherer zu Versicherer.
b) Freie Fondsanlage: Welche Fonds stehen zur Auswahl? Sind ETFs möglich? Gibt es Themenfonds? Wie groß ist die Auswahl – und wie frei ist die Wahl wirklich? Am Ende zählt: Wie viel vom Guthaben wird tatsächlich in die freie Fondsanlage investiert – und wie entwickelt sich die freie Fondsanlage (nach Kosten)?
c) Wertsicherungsfonds: Die Auswahl des Index (z. B. DAX®, EuroStoxx 50® oder ein individueller Index), die Höhe der Wertsicherung, die Absicherungsstrategie sowie die Kostenstruktur – all das beeinflusst die langfristige Performance des Wertsicherungsfonds. Wie üblich sagt ein Chart zur historischen Wertentwicklung nichts über die zukünftigen Performance-Chancen aus, insbesondere dann, wenn aktiv in die Anlagestrategie des Wertsicherungsfonds eingegriffen werden kann (oder bereits wurde).
d) Anlagestrategie: Vielleicht der wichtigste Punkt: Wie, wann und wohin wird umgeschichtet? Bleibt die Aufteilung statisch? Oder wird das Guthaben täglich, wöchentlich oder monatlich neu verteilt – wie bei dynamischen Konzepten? Und wie genau wird aufgeteilt? Ohne Einblick in die genaue Anlagestrategie bleiben Performance-Aussagen über ein Produkt, zum Beispiel in der Hochrechnung, bloße Vermutung.
Der Markt der Hybridprodukte ist sehr vielfältig. Zwar gelten dynamische Hybridprodukte als moderne Weiterentwicklung der statischen Variante, aber allein die Unterscheidung „statisch“ oder „dynamisch“ reicht nicht aus, um die echten Performance-Potenziale beurteilen zu können.
Ohne Details zu den einzelnen Anlagetöpfen und ohne die mögliche Aufteilung über die Zeit zu kennen, ist eine verlässliche Aussage über den Endwert bei Vertragsablauf einfach nicht möglich. Gerade die klassische Hochrechnung führt Vermittler und Kunden hier oft in die Irre.
Nummer 8: Nur so können Performance-Chancen bei Hybridprodukten wirklich gemessen werden
Produktvergleiche in der Lebensversicherung sind notwendig – aber alles andere als einfach. Wer Hybrid- und andere Lebensversicherungsprodukte seriös miteinander vergleichen will, kommt an einem wichtigen Instrument nicht vorbei: dem Rendite-Risiko-Profil.
Warum ist das so? Weil die klassische Hochrechnung, wie sie noch immer weit verbreitet ist (z. B. mit einer pauschalen Annahme zur Wertentwicklung von 6 % p. a.), die Realität schlichtweg verzerrt. Gerade bei Hybridprodukten ist Vorsicht geboten:
- Die verschiedenen Anlagetöpfe werden oft nicht „artgerecht“ hochgerechnet.
- Bei dynamischen Hybridprodukten wird die Logik der periodischen Umschichtungen nicht abgebildet.
- Die Performance des Wertsicherungsfonds wird systematisch überschätzt – was in der Folge auch den Anteil von freier Fondsanlage unrealistisch aufbläht.
- Die konkrete Anlagestrategie bleibt oft eine Blackbox. Aber genau sie entscheidet über die reale Allokation und damit über die reale Performance.
Die Folge: Eine schöne Zahl in der Hochrechnung – aber eine Illusion. Wenn Sie mehr über die Schwächen der klassischen Hochrechnung erfahren möchten, schauen Sie gerne in meine frühere Artikelreihe zu Produktvergleichen.
Die einzige Alternative: Stochastische Simulationen
Anders als bei deterministischen Ansätzen wird bei stochastischen Simulationen mit tausenden von Pfaden gearbeitet – also mit realistisch schwankenden und möglichen Kapitalmarktszenarien der Zukunft. Für jedes dieser Szenarien lässt sich die Entwicklung des Vertragsguthabens berechnen – und daraus die zugehörige Ablaufleistung und die Effektivrendite. Aus allen Ergebnissen ergibt sich dann die Verteilung möglicher Renditen: das Rendite-Risiko-Profil. Ein solches Profil zeigt z. B.:
- Wie wahrscheinlich bestimmte Ertragsbereiche sind.
- Wie breit die Streuung der Renditen sein kann.
- Wie sich verschiedene Parameter (z. B. Laufzeit, Garantieniveau, Rechnungszins) auf die Performance auswirken.
Die moderne Finanzmathematik stellt dafür fundierte Modelle zur Verfügung. Doch diese leben – wie jedes Modell – von den Annahmen: realistisch, transparent und zukunftstauglich sollten sie sein. Klar ist auch, wenn sich diese Annahmen ändern, ändern sich auch die Ergebnisse der Simulation. Und damit möglicherweise auch die Rangfolge in einem Produktvergleich.
Ohne Rendite-Risiko-Profil bleibt vieles bloße Hoffnung. Nur mit einem stochastischen Ansatz lassen sich Produkte realistisch und vergleichbar abbilden – insbesondere dann, wenn sie komplexe Mechanismen wie Umschichtungen enthalten.
Nummer 9: Die Fondsquote bei Vertragsbeginn sagt erst einmal noch gar nichts aus
Bei Hybridprodukten darf man sich nicht von Hochglanzbroschüren und Marketingversprechen blenden lassen. Gerade der Verweis auf eine „Fondsquote von bis zu 100 % bei Vertragsbeginn“ ist irreführend – und im Zweifel sogar gefährlich.
Bei einer Laufzeit von 20 oder 30 Jahren ist die Fondsquote direkt zu Beginn des Vertrages ungefähr so aussagekräftig wie die Zeit auf den ersten 100 Metern bei einem Marathon.
Hinzu kommt: Selbst eine hohe Fondsquote bringt wenig, wenn der Fonds an sich wenig bringt. Ein Fonds mit hoher Anleihen-Quote unterscheidet sich im Risikoprofil dann kaum noch kaum vom klassischen Sicherungsvermögen. Für den Kunden bedeutet das dann: mehr Hoffnung als Performance-Chancen.
Tatsächlich kann – je nach Produktdesign, Kapitalmarktverlauf und Laufzeit – der Anteil am Klassik-Topf während der Laufzeit auf bis zu 100 % anwachsen. Das bedeutet: Auch ein vermeintlich fondsorientiertes Produkt hängt dann stark am Tropf der Klassik – mit allen Konsequenzen für die Wertentwicklung des Vertragsguthabens.
Die entscheidende Frage ist: Wie viel Kapitalmarkt steckt im Produkt über die Zeit? Wer diese Frage nicht gut beantworten kann, sollte lieber zweimal hinschauen.
Denn anders als vor Gericht gilt bei der Altersvorsorge: Im Zweifel gegen das Produkt.
Nummer 10: Das Weiterentwicklungspotenzial bei Hybridprodukten ist noch lange nicht ausgeschöpft
Wer jetzt glaubt, dass sich Hybridprodukte nach über 20 Jahren am Markt nicht mehr weiterentwickeln lassen, liegt falsch. Tatsächlich gibt es zahlreiche Stellschrauben, an denen Produktgeber jetzt drehen können – technologisch und auch strategisch.
Mehr Transparenz. Mehr Selbstbestimmung.
Ein großer Hebel liegt in der Digitalisierung. Der Kunde sollte künftig jederzeit Einblick in die aktuelle Aufteilung seines Vertragsguthabens erhalten können – in Echtzeit, einfach per App. Auch Eingriffe ins Produkt – wie ein Fondswechsel oder eine Anpassung des Garantieniveaus – sollten sich per „One-Click“ vom Smartphone aus durchführen lassen. Wer möchte, kann dann bewusst mitgestalten – wer nicht, bleibt beim Status quo. Der Kunde ist König.
Der Klassik-Topf auf dem Prüfstand
Der jüngste Anstieg des Höchstrechnungszinses hat den Klassik-Anteil bei Verträgen im Neugeschäft zwar tendenziell gesenkt – aber: Die grundlegende Performance-Problematik der Klassik bleibt bestehen. Daher stellen sich viele Lebensversicherer weiterhin die Frage: Ist der Klassik-Topf noch zeitgemäß? Wie kann er ersetzt werden? Schon heute denken einige Anbieter über Alternativen nach – sei es über stärker marktorientierte Garantien oder ganz neue Sicherungskonzepte.
Bitte die zweite Halbzeit nicht vergessen
Auch die Rentenbezugsphase bietet noch ungenutztes Potenzial. Sie dauert bei vielen Verträgen genauso lange wie die Ansparphase – bekommt derzeit aber noch deutlich weniger Aufmerksamkeit. Dabei hatte ausgerechnet das erste dynamische Hybridprodukt überhaupt – TwoTrust von Gerling Leben im Jahr 2006 – schon eine dynamische Rentenphase vorgesehen. Die Herausforderungen sind dabei die gleichen wie in der Ansparphase: Transparenz und Kapitalmarktnähe. Gerade in Zeiten langer Lebenserwartung und niedriger Zinsen ist der anlageorientierte Rentenbezug ein Thema, das dringend auf die Agenda gehört.
Quellen und Anmerkungen
1 Nachfolgend finden Sie den Link zur GDV-Statistik: https://www.gdv.de/gdv/statistik/statistiken-zur-deutschen-versicherungswirtschaft-uebersicht/lebensversicherung#bestand-und-neuzugang (Tabelle 34).
2 Nachfolgend finden Sie den Link zur GDV-Statistik: https://www.gdv.de/gdv/statistik/statistiken-zur-deutschen-versicherungswirtschaft-uebersicht/lebensversicherung#bestand-und-neuzugang (Tabelle 35).
3 Nachfolgend finden Sie den Link zum Fachartikel: https://www.vermittlerportal.de/fachartikel-renditechancen-von-hybridrenten.pdf