Die Tücken des Erbrechts und wie man sie umgeht

Gastbeitrag von Dr. Cathrin Krämer

Dr. Cathrin Krämer, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht bei Mazars Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Es ist keine Frage des Alters, sich mit der Nachfolge seines Vermögens zu beschäftigen. Denn wie Erich Fromm schon richtig erkannte: „Für die Zukunft ist nur der Tod gewiss“. Wann dies sein wird, können wir aber nur schwer vorhersehen. Deshalb sollten Sie schon frühzeitig die Erbfolge planen. Legen Sie die von Ihnen gewünschten Nachfolger fest und nehmen Sie gegebenenfalls schon zu Lebzeiten Übertragungen vor. So vermeiden Sie Streit unter den Erben und sparen gleichzeitig Steuern.

Die Gestaltung der Nachfolge sollte immer individuell auf die familiären und vermögensrechtlichen Verhältnisse der betreffenden Person abgestimmt werden. Dennoch gibt es erbrechtliche Grundlagen und Tücken, die bei jeder Planung unbedingt beachtet werden müssen.

Im heutigen Beitrag stelle ich Ihnen die Grundlagen des Erbrechts vor: die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht. Beide Themen sind wichtig, um die Tücken der Testamentsgestaltung zu verstehen. Welche Tücken dies sind, zeige ich Ihnen im zweiten Teil des Beitrags.

Gesetzliche Erbfolge

Sie haben kein Testament oder eine andere Verfügung von Todes wegen, beispielsweise einen Erbvertrag, hinterlassen? Dann kommt es zur sogenannten gesetzlichen Erbfolge. Diese richtet sich nach dem BGB und folgt, einfach ausgedrückt, dem Grundsatz: „Das Gut rinnt wie das Blut“. Nur Ehepartner, eingetragene Lebenspartner oder adoptierte Kinder erben nach dem Gesetz, ohne dabei blutsverwandt zu sein.

Folgende Grafik zeigt Ihnen die gesetzliche Erbfolge:

 

Bei der gesetzlichen Erbfolge werden Verwandte in Ordnungen aufgeteilt. Die Rangfolge bestimmt, welche Angehörigen wann erben. In der obersten Stufe stehen die Erben erster Ordnung. Das sind die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder, Enkel, Urenkel … Gibt es keine Erben der ersten Ordnung, folgen die Erben der zweiten Ordnung. Gibt es auch dort keine Erben, haben die Verwandten der dritten oder vierten Ordnung einen Erbanspruch. Das bedeutet: Jeder Verwandte, der einer vorangehenden Ordnung zugerechnet wird, schließt die Verwandten nachrangiger Ordnungen von der Erbfolge aus. Innerhalb einer Ordnung erben die Verwandten zu gleichen Teilen.

Der überlebende Ehepartner gehört keiner Ordnung an und erbt unabhängig von den Verwandten. Das Ehegattenerbrecht schränkt das Erbrecht der Verwandten ein. Von dem Erbteil des überlebenden Ehepartners hängt die Erbquote der übrigen Erben ab. Daher muss zuerst bestimmt werden, wie viel der überlebende Ehepartner erbt.

Der überlebende Ehepartner ist neben Verwandten

Lebten die Eheleute im Güterstand der Gütertrennung und hinterließ der verstorbene Ehegatte ein oder zwei Kinder, so erben der überlebende Ehegatte und die Kinder zu gleichen Teilen.

Lebten die Eheleute in einer Zugewinngemeinschaft, erhöht sich der Erbteil des Ehepartners um ein weiteres Viertel. Im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben Partner, die keinen Ehevertrag geschlossen haben. Sie bekommen diesen gesetzlich automatisch.

Beispiel:

Die Eheleute waren im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Hinterlässt der Erblasser neben seinem Ehepartner noch 2 Kinder (Erben der 1. Ordnung), so wird der Erbanteil um ein weiteres Viertel erhöht. Die einheitliche Erbquote des überlebenden Ehepartners beträgt dann die Hälfte. Die zweite Hälfte geht an die Kinder. Bei einem Kind beträgt dessen Erbquote die gesamte Hälfte, bei zwei Kindern erben diese zu je einem Viertel und bei drei Kindern zu je einem Sechstel, …

 

Erbengemeinschaft

Hinterlässt ein Erblasser nicht nur einen, sondern mehrere Erben, bilden diese eine sogenannte Erbengemeinschaft. Diese endet erst mit der vollständigen Aufteilung des Nachlasses (auch Auseinandersetzung genannt). Das kann erst dann der Fall sein, wenn die Anordnungen des Erblassers im Testament befolgt, alle Nachlassverbindlichkeiten beglichen und der Nachlass unter den Miterben aufgeteilt wurde. Bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ist der Nachlass Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft. Das bedeutet: Der Nachlass gehört allen Miterben gemeinsam und wird deshalb von allen Miterben gemeinschaftlich verwaltet. Die Entscheidungen werden nach dem Mehrheitsprinzip getroffen. Bei Verfügungen aber müssen die Miterben alle Entscheidungen gemeinsam treffen. Verkäufe, Schenkungen oder Belastungen des Nachlasses dürfen nur einstimmig beschlossen werden. Gerade dies sorgt für ein hohes Konfliktpotential: Die Erbengemeinschaft wird handlungsunfähig, wenn ein Miterbe der Verfügung nicht zustimmt. Die Gefahr ist naheliegend: Eine Auseinandersetzung kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Und der Nachlass wird so geschädigt, dass am Ende nicht mehr viel davon übrig ist.

Praxis-Tipp: Verfassen Sie ein Testament und regeln Sie dort die Erbeinsetzung. Kann eine Erbengemeinschaft nicht umgangen werden und Sie rechnen mit einem Streit unter den Miterben, können Sie einen Testamentsvollstrecker einsetzen. Die gesamte Verwaltungs- und Verfügungsgewalt über den Nachlass liegt dann bei ihm. Die Miterben erhalten dann nur das Ihnen zugeteilte Erbe, haben aber keine Macht über den Nachlass.

Das Pflichtteilsrecht

Das Pflichtteilsrecht ist eng verknüpft mit der gesetzlichen Erbfolge. Ein Anspruch auf einen Pflichtteil steht den Nachkommen und gegebenenfalls den Eltern des Erblassers zu. Hatte der Erblasser keine Nachkommen, sind auch die Eltern pflichtteilsberechtigt.

Der Pflichtteilsanspruch ist eine Art Mindest-Teilhabe am Nachlass und steht den Berechtigten zu. Er kann nur in seltenen Fällen ausgeschlossen werden, beispielsweise wenn ein Berechtigter ein Angriff auf das Leben des Erblassers vorgenommen hat.

Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteilsberechtigte wird aber kein Eigentümer des Nachlasses. Er besitzt nur einen Geldanspruch gegenüber den Erben auf die Auszahlung seines Pflichtteils.

Beispiele:

Pflichtteil der Kinder beim ersten Erbfall: Kinder je 1/8.

 

Pflichtteil beim zweiten Erbfall: Kinder je 1/4.

 

Ordentlicher Pflichtteilsanspruch

Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs wird nach dem Vermögen berechnet, das beim Todesfall des Erblassers vorhanden war.

Pflichtteilsanspruch + Schenkung = Pflichtteilsergänzungsanspruch

Der ordentliche Pflichtteilsanspruch wird nach dem Vermögen am Todestag berechnet. Deshalb ist es naheliegend, schon zu Lebzeiten sein Vermögen zu verschenken und damit Pflichtteilsansprüche zu schmälern. Diese Gefahr hat auch der Gesetzgeber erkannt. Deshalb hat er für solche Schenkungen Regelungen aufgestellt und den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch erlassen. Dieser gewährleistet Folgendes: Der Erblasser kann den Pflichtteil durch Schenkungen zu Lebzeiten nicht aushöhlen, indem er dem Pflichtteilsberechtigten für diese Schenkungen ebenfalls einen Ausgleich gibt. Ausgleichpflichtig sind alle Schenkungen des Erblassers, auch an Stiftungen oder an sonstige juristische Personen – selbst dann, wenn diese gemeinnützig sind.

Der Anspruch betrifft nur Schenkungen des Erblassers, die er in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod getätigt hat. Der Wert der Schenkung vermindert sich aber für jedes volle Jahr zwischen Schenkung und Erbfall um jeweils ein Zehntel. Nur die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall wird in voller Höhe berücksichtigt.

Wichtig und in der Praxis häufig übersehen wird, dass bei Schenkungen an Ehepartner die 10-Jahres-Frist nicht gilt.  Diese Schenkungen werden immer berücksichtigt. Die 10-Jahres-Frist unter Ehepartnern gilt erst, wenn die Ehe aufgelöst wird.

Von der 10-Jahres-Frist sind auch solche Schenkungen ausgeschlossen, bei denen sich der Erblasser ein Nutzungsrecht an dem verschenkten Gegenstand vorbehält. Der Erblasser verschenkt beispielsweise eine Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt. Dann liegt rechtlich keine richtige Schenkung vor und die 10-Jahres-Frist beginnt nicht zu laufen. Dies gilt so lange wie das Nießbrauchrecht besteht.

Praxis-Tipp: Sie möchten Pflichtteilsansprüche reduzieren? Dann dürfen Sie keine Schenkungen an Ihren Ehepartner oder unter einem Nießbrauchsvorbehalt vornehmen. Bei Schenkungen unter Vorbehalt eines Wohnrechts muss im Einzelnen geschaut werden, ob diese geeignet sind, Pflichtteilsergänzungsansprüche zu reduzieren.

Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten

Pflichtteilsberechtigte kennen oft nicht die Vermögensverhältnisse am Todestag des Erblassers. Deshalb gibt es vom Gesetzgeber eine Reihe von Ansprüchen, die sie gegenüber dem Erben geltend machen können. Das sind Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung sowie gegebenenfalls ein Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Dabei handelt es sich um Ansprüche, die der Bezifferung des Zahlungsanspruchs dienen. Die Geltendmachung dieser Ansprüche benötigt in der Regel viel Zeit und Nerven. Ein gerichtliches Verfahren dauert meist mindestens 2 Jahre.

Praxis-Tipp: Der Pflichtteilsanspruch sollte geltend gemacht werden – auch wenn die genaue Höhe des Anspruchs nicht bekannt ist. Dies hat den Vorteil, dass der Erbe in Verzug gesetzt wird und Verzugszinsen anfallen. Die genaue Bezifferung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs kann problemlos später erfolgen.

Im zweiten Teil unseres Beitrags zeigen wir Ihnen die Tücken der Testamentsgestaltung auf. Außerdem erfahren Sie Wichtiges zum Thema „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“.

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