1001 Anlagemöglichkeiten für den Ruhestand: Wenn schon Entnahmeplan, dann aber bitte richtig!
Ein Entnahmeplan ist eine Anlagestrategie, die festlegt, wie viel Geld in welchem Rhythmus aus einem vorhandenen Vermögen entnommen werden soll. Ziel ist es, das vorhandene Vermögen über den Planungszeitraum sinnvoll zu nutzen und gleichzeitig sicherzustellen, dass es nicht zu früh aufgebraucht ist.
Ein Entnahmeplan berücksichtigt verschiedene Faktoren wie die aktuelle Lebenserwartung, die zukünftigen Ausgaben und die möglichen Erträge aus der Kapitalanlage des Vermögens. Ein Entnahmeplan kann daher ein interessanter Baustein in der Ruhestandsplanung sein. Betrachten wir dazu zunächst ein Beispiel.
Beispiel: Frau Meier geht mit 65 Jahren in den Ruhestand und hat bis dahin ein Vermögen von 360.000 € angespart. Sie plant, jährlich 24.000 € zu „verbrauchen“. Zu Beginn des ersten Jahres entnimmt Frau Meier die 24.000 € und ihr Vermögen sinkt auf 336.000 €. Zu Beginn des zweiten Jahres, angenommen, Frau Meier hat keine Anlage am Kapitalmarkt getätigt, verfügt Frau Meier immer noch über das Vermögen in Höhe von 336.000 €. Aus diesem Vermögen entnimmt sie erneut den Entnahmebetrag von 24.000 €. Mit diesem sehr einfachen Entnahmeplan kann Frau Meier insgesamt 15 Jahre lang sicher jedes Jahr 24.000 € aus ihrem Vermögen entnehmen und dann beliebig verbrauchen.
In der Praxis würde Frau Meier ihr Vermögen wahrscheinlich am Kapitalmarkt anlegen und damit zusätzliche Erträge erwirtschaften. Dadurch könnte sie entweder jährlich einen höheren Betrag entnehmen oder das vorhandene Vermögen könnte länger als die im Beispiel genannten 15 Jahre reichen.
Außerdem kann Frau Meier durch eine entsprechende Anlage dem Wertverlust durch die Inflation entgegenwirken. Die jährliche Entnahme von 24.000 € hat bei einer angenommenen jährlichen Inflation von 2 % in 15 Jahren aus heutiger Sicht nur noch eine Kaufkraft von weniger als 18.000 €.
Entscheidet sich Frau Meier bei der Anlage ihres Vermögens für ETFs, spricht man von einem ETF-Entnahmeplan. Bei einem ETF-Entnahmeplan investiert Frau Meier zu Beginn ihr Vermögen in Höhe von 360.000 € in ausgewählte ETFs. Jedes Jahr verkauft Frau Meier dann genau so viele Anteile ihrer ETFs, dass der gewünschte Entnahmebetrag von 24.000 € aus ihrem Depot entnommen werden kann.
Frau Meier kann jedoch nur so lange Geld entnehmen, wie Vermögen in ihrem Depot vorhanden ist. Wie lange dies der Fall ist, hängt von der Performance der ETFs ab. Bei einer Performance von 0 % p. a. ist das Geld wie im obigen Beispiel nach 15 Jahren aufgebraucht. Bei einer Performance von 3 % p. a. hält das Vermögen immerhin schon rund 20 Jahre. Bei dieser Betrachtung haben wir der Einfachheit halber alle Kosten für die Verwaltung sowie die Steuern auf Erträge nicht berücksichtigt.
Ein weiterer wichtiger Faktor beim Entnahmeplan ist die Höhe der Entnahme. Wer hierbei flexibler ist, kann die tatsächliche Entnahme beispielsweise von der Performance des letzten Jahres abhängig machen. Bei guter Performance kann etwas mehr entnommen werden, bei schlechter Performance etwas weniger.
Entnahmeplan und die 3 wichtigen Dimensionen
Schauen wir uns an, wie es bei einem Entnahmeplan um die im vorherigen Teil der Artikelreihe beschriebenen 3 wichtigen Dimensionen bei der Ruhestandsplanung steht.
Dimension 1: Planungssicherheit
Ein gut durchdachter Entnahmeplan – also ein Entnahmeplan, bei dem die Kapitalanlage und die Entnahmehöhe aufeinander abgestimmt sind – reduziert zwar die Unsicherheit über die Dauer der möglichen Entnahmen, eine absolute Planungssicherheit ist jedoch nicht gegeben. Frau Meier kann zu Beginn ihres ETF-Entnahmeplans nicht mit Sicherheit sagen, wie lange sie Entnahmen tätigen kann.
Dimension 2: Zeithorizont
Der Planungshorizont legt fest, wie lange Frau Meier ihr Vermögen über die Zeit strecken will. Der Planungshorizont bestimmt somit auch das Rendite-Risiko-Profil der Kapitalanlage und die Höhe der Entnahmen. Frau Meier möchte, dass ihr Vermögen für 25 Jahre reicht. Sie geht davon aus, dass sie nicht älter als 90 Jahre alt wird oder, dass sie ab dann keine Entnahmen mehr benötigt. Nebenbei bemerkt: Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau Meier ihren 90. Geburtstag erleben wird, liegt gemäß dem Lebenserwartungsrechner der Webseite „7 Jahre länger“1 bei rund 50 %. Das bedeutet, dass 5 von 10 heute 65-jährigen Frauen über 90 Jahre alt werden. Dies ist bei der Festlegung des Planungshorizonts mitentscheidend.
Dimension 3: Kapitalverzehr
Frau Meier möchte ihr Vermögen selbst aufbrauchen. Mit einem Entnahmeplan kann sie dieses Ziel erreichen. Ein Entnahmeplan ist genau darauf ausgerichtet, dass ihr Vermögen bis zum Ende des Planungszeitraums aufgebraucht ist.
Ein Entnahmeplan kann also ein sinnvoller Baustein in der Ruhestandsplanung von Frau Meier sein. Frau Meier muss sich aber bewusst sein:
- Ihr Vermögen im Entnahmeplan kann frühzeitig aufgebraucht sein, wenn die Performance der Kapitalanlage niedriger ausfällt als erhofft.
- Die monatlichen Entnahmen könnten zu gering kalkuliert sein, sodass später im Alter noch zu viel Geld übrig ist. Frau Meier könnte auch früher sterben und noch ein Teil ihres Vermögens nicht aufgebraucht haben.
„Je nach Höhe des Startkapitals, der Höhe der Entnahme und der Rendite der Kapitalanlage ist das Vermögen früher weg als das Leben.”
Mit dem folgenden Tool können Sie Ihren eigenen Entnahmeplan erstellen. Geben Sie dazu Ihr Startkapital, Ihr Alter bei Beginn, die monatliche Entnahmehöhe sowie das gewünschte Rendite-Risiko-Profil der Anlage ein und Sie sehen, wie lange Sie mit Ihrem Startkapital auskommen könnten und ob Ihr definierter Entnahmeplan bis zu Ihrem mittleren Lebensendalter halten wird.
Beispiel zum Tool: Frau Meier möchte ihren ETF-Entnahmeplan im Alter von 65 Jahren beginnen. Ihr Startkapital beträgt 360.000 € und die monatliche Entnahme soll 2.000 € betragen. Wenn Frau Meier als Anlageform „Cash“ wählt, würde der Entnahmeplan wie im Beispiel oben genau 15 Jahre laufen. Ihr Startkapital wäre im Jahr 2039 aufgebraucht, also lange bevor sie ihr mittleres Lebensendalter erreicht. Wählt sie „Renten-ETFs“ als Kapitalanlage, könnte ihr Startkapital im Durchschnitt rund 19 Jahre, also etwas länger, reichen. Aber auch bei dieser Anlage ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Startkapital vor Erreichen des mittleren Lebensendalters aufgebraucht ist, nahezu 100 %. Bei der Wahl von „Aktien-ETFs“ als Kapitalanlage könnte das Startkapital im Durchschnitt sogar 22 Jahre reichen. Aber auch hier ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Startkapital vor Erreichen des mittleren Lebensendalters aufgebraucht ist, mit rund 60 % noch recht hoch. Aus dem Tool und den Annahmen von Frau Meier geht klar hervor, dass sie mit ihren Vorstellungen zum Entnahmeplan ihr eigentliches Ziel, mit dem Vermögen bis zu ihrem 90. Geburtstag auszukommen, vermutlich nicht erreichen wird. Um ihr Ziel mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erreichen, müsste Frau Meier den monatlichen Entnahmebetrag deutlich reduzieren.
ETF-Entnahmeplan bei einer Bank oder bei einem Lebensversicherer?
Die Wahl zwischen einem Entnahmeplan bei einer Bank (oder einem Online-Broker) und einem Entnahmeplan im Rahmen einer fondsgebundenen Lebensversicherung hängt im Kern von 2 Faktoren ab. Die nachfolgenden Aspekte können grundsätzlich bei beiden Entnahmeplänen gleich sein:
- Kapitalanlage (zum Beispiel jeweils die gleichen ETFs)
- Entnahmestrategie (zum Beispiel monatlich 2.000 €)
- Flexibilität (zum Beispiel bei der monatlichen Entnahmehöhe und der Kapitalanlage)
Die beiden entscheidenden Faktoren sind die Renditeminderung durch die Kosten sowie die Renditeminderung durch die fällige Steuer.
Übersteigt der Steuervorteil der Lebensversicherung den oft praktischen Nachteil bei den Kosten, können bei gleichem Startkapital, gleicher Kapitalanlage und gleicher Entnahmehöhe auf Gesamtsicht aus einer Lebensversicherung länger Entnahmen getätigt werden.
„Das gleiche Vermögen reicht also in der Lebensversicherung dann einfach länger.”
Letztlich hängt die Entscheidung für einen der beiden Wege von den individuellen Prioritäten und Bedürfnissen ab.
Der Entnahmeplan mit ETFs eignet sich grundsätzlich für Personen, die niedrige Kosten, eine hohe Flexibilität und Transparenz sowie die Einfachheit schätzen und darüber hinaus keinen zusätzlichen Versicherungsschutz benötigen oder wollen. Der Entnahmeplan im Rahmen einer fondsgebundenen Lebensversicherung ist vorteilhaft für Anleger, die von den steuerlichen Vorteilen profitieren möchten und auch einen zusätzlichen Versicherungsschutz wünschen.
Bei einer Ruhestandsplanung ist es ratsam, sich eingehend mit den Vor- und Nachteilen der möglichen Bausteine zu befassen und vor allem eine Gesamtsicht auf alle Bausteine einzunehmen.
Personen mit einem hohen Bedürfnis nach Planungssicherheit kommen vermutlich nicht um den Baustein „private Rentenversicherung“ herum. Genau um diesen Baustein geht es im nächsten Teil unserer Artikelreihe. Bleiben Sie dran!
Quellen und Anmerkungen
1 Zu dem Lebenserwartungsrechner gelangen Sie über den nachfolgenden Link: https://www.7jahrelaenger.de/7jl