Technologietitel in nachhaltigen Fonds: Das müssen Sie wissen

Gastbeitrag von Dr. Klaus Mühlbauer:  

Der „Green Deal“ der EU ist ein heißes Thema für Geldanleger. Ziel ist es, Kapitalströme in Einklang mit nachhaltigem Wirtschaften zu bringen und damit die Emission von Treibhausgasen in den EU-Ländern bis 2050 auf null zu reduzieren. Was heißt das für Investoren? Der Fokus richtet sich auf nachhaltige Investmentfonds. Besonders im Blickpunkt stehen Artikel 8-Fonds, die neben Umwelt- und/oder Sozialstandards auch Ethikstandards berücksichtigen, sowie Artikel 9-Fonds mit klaren nachhaltigen Anlagezielen. Doch auch bei nachhaltigen Fonds gibt es wissenswerte Besonderheiten. Was nachhaltiges Investieren mit der Growth-Value-Debatte zu tun hat, dazu hat sich Dr. Klaus Mühlbauer, Referent für Kapitalmarktseminare, Gedanken gemacht.

Dr. Klaus Mühlbauer ist Kapitalmarktexperte mit langjähriger Börsen- und Vertriebserfahrung. Seit 2013 ist er als selbstständiger Unternehmensberater, Buchautor und Referent für Kapitalmarktseminare tätig. In unserem Online-Magazin beleuchtet er den Finanzmarkt und teilt sein Investment-Know-how.

Nachhaltigkeit: Wendepunkt für Unternehmen hin zum „Grünen“

1972 rief der Club of Rome mit „Die Grenzen des Wachstums“ zur nachhaltigen Lebensweise auf.* Ein Kernsatz daraus, „weniger Konsum und mehr Lebensqualität“, ist wohl die meistzitierte Aussage dieses Werks.

Für lange Zeit wurde das Finanzsystem nicht als wichtiger Hebel für nachhaltige Investitionen betrachtet. Nun, nach mehr als 50 Jahren, hat sich das Blatt gewendet. Es geht darum, den nachhaltig wirtschaftenden „Good Guys“ aus dem Unternehmerlager leichteren Zugang zu wichtigem Eigen- und günstigem Fremdkapital zu verschaffen. Die weniger nachhaltigen „Bad Boys“ sollen durch den erschwerten Zugang zu den Kapitalquellen motiviert werden, sich den „Good Guys“ anzuschließen.

Der EU-„Green Deal“ zielt nicht darauf ab, viele neue Unternehmen entstehen zu lassen, sondern bestehende Firmen nach ESG-Kriterien umzustrukturieren. Die Botschaft ist angekommen und Nachhaltigkeit bestimmt zunehmend auch unternehmerisches Handeln. Aktuell positionieren sich viele Unternehmen in der Mitte des Schwarms, denn am vorderen Ende rollen Köpfe (Greenwashing-Vorwürfe) und am hinteren werden sie gejagt (strenge Regulierung).

Bei Anlegern gefragt: Moneten mit Moral

Geldanleger verfolgen beim Kauf nachhaltiger Fonds zwei Ziele:

  1. Geld verdienen
    Für eingegangene Schwankungsrisiken möchte man mit auskömmlichen Renditen entlohnt werden (individuelles Ziel).
  2. Gutes tun
    Zugleich möchte man mit seiner Geldanlage nachhaltige Ergebnisse für uns als gesamte Gesellschaft erreichen (kollektives Ziel).

Finanzberater sollten mit ihren Kunden über beide Ziele sprechen. Beachten Sie jedoch unbedingt die Reihenfolge. Zunächst geht’s um Chance-Risiko-Profile, dann erst um Nachhaltigkeit! Wer nur auf ESG-Kriterien achtet, läuft Gefahr, dass Kunden Chance-Risiko-Themen aus den Augen verlieren. Sie sind dann verwundert, wenn Wertpapierkurse stark schwanken oder die erwarteten Renditen ausbleiben.

Rendite-Risiko-Profile sind untrennbar mit unterschiedlichen Investmentstilen verknüpft. Wachstumstitel („Growth-Aktien“) weisen zumeist höhere Schwankungen auf als Substanzunternehmen („Value-Titel“). Dafür konnten Growth-Werte in der Vergangenheit oft höhere Renditen verbuchen.

Growth vs. Value: „wonderful company“ oder „wonderful price“?

Wachstumstitel – „wonderful companies“ – beflügeln Investorenfantasien. Kurzfristig erwirtschaftete Gewinne haben weniger Bedeutung als die erwarteten üppigen Unternehmensgewinne in ferner Zukunft. Tesla lässt grüßen.

Auf der anderen Seite stehen die Substanzwerte: Beteiligungen an Unternehmen, die schon jetzt solide Gewinne einfahren, aber eher gemäßigt wachsen. Hier steht das Schnäppchen im Fokus. Gesucht werden unterbewertete Aktien zum „wonderful price“.

Für beide Investmentstile gibt es bei Geldanlegern echte „Fan-Gemeinden“. Gejubelt wird mal in dem einem, mal im anderen Lager.

MSCI World Value

BetrachtungszeitraumIndex-Performance p. a.Index-Risiko (Schwankungen) p. a.
3 Jahre13,84 %17,31 %
5 Jahre6,52 %18,34 %
10 Jahre7,36 %14,71 %
Quelle: www.msci.com (Daten per 31.07.2023)

MSCI World Growth

BetrachtungszeitraumIndex-Performance p. a.Index-Risiko (Schwankungen) p. a.
3 Jahre9,92 %20,78 %
5 Jahre12,14 %20,22 %
10 Jahre12,03 %15,98 %
Quelle: www.msci.com (Daten per 31.07.2023)

Nachhaltigkeit ist auch ein Branchenthema

Bei der Nachhaltigkeit steht die Ressourceneffizienz im Mittelpunkt. Der Umbau in Richtung energieeffizienter Lösungen verlangt mittelfristig zwangsläufig einen erhöhten Einsatz von Rohstoffen. Man denke nur an das ganze Kupfer, das für Kabel rund um die E-Mobilität benötigt wird. Nimmt man den CO2-Fußabdruck bei der Analyse von Unternehmenswachstum und -gewinn mit auf, sollte man bei der Bewertung einzelner Unternehmen die Besonderheiten der entsprechenden Branche ebenfalls berücksichtigen.

Das zumeist energieintensive produzierende Gewerbe schneidet aus einem CO2-Blickwinkel zwangsläufig schlechter ab als beispielsweise Dienstleistungsbetriebe.

BrancheCO2-Fußabdruck
Produzierendes GewerbeHoch
DienstleistungsunternehmenGering

So weit, so emissionsreich, allerdings weisen die tendenziell aus dem produzierenden Gewerbe stammenden Value-Titel zumeist geringe Kursschwankungen auf. Im Gegensatz dazu stehen auf Wachstum getrimmte Unternehmen, oftmals Dienstleister wie Tech-Unternehmen, die tendenziell stärkere Kursbewegungen aufweisen.

ESG-Fonds mit hohem Growth-Gewicht

In Factsheets nachhaltiger Fonds führt Microsoft viele Listen der größten Fondspositionen an. Üblicherweise folgen Oracle, Alphabet (Google), Meta (Facebook) und Apple.

Sicher wäre es zu kurz gesprungen zu behaupten, dass nur Growth-Titel in nachhaltigen Fonds, insbesondere in den strengen Artikel 9-Fonds, zu finden sind. Dennoch sollten Sie am besten gleich heute noch Ihre Kunden auf die Technologie- und die Wachstumsausrichtung zahlreicher nachhaltiger Fonds hinweisen. Wer nachhaltig anlegt, sollte sich nicht von möglichen größeren Schwankungen überraschen lassen.

Der „Green Deal“ der EU wird weitreichende Veränderungen im Finanzsektor anstoßen. Eines jedoch ändert sich nicht: die Notwendigkeit, durch kluge Investitionen auskömmliche Renditen zu erwirtschaften.


* Dennis Meadows, u. a., „Die Grenzen des Wachstums: Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“, ISBN 3421026335, erschienen 1972  

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