Gefördertes Altersvorsorgedepot – Chancen und Herausforderungen
Gastbeitrag von Dr. Klaus Mühlbauer
Die Bundesregierung arbeitete an einer Neuausrichtung der geförderten Altersvorsorge. Das geplante Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetzes)1 verfolgt das Ziel „(…) ein kostengünstiges, einfaches, transparentes und gut erklärbares Angebot an neuen privaten Altersvorsorgeprodukten zu unterbreiten (…)“2 . Ob das Altersvorsorgedepot3 oder ein anderes Kapitaldeckungssystem Realität wird, weiß derzeit niemand. Was Beraterinnen und Berater dennoch über kollektive Umlage- und individuelle Kapitaldeckungsverfahren wissen sollten, fasst Dr. Klaus Mühlbauer, Referent für Kapitalmarktseminare, für Sie zusammen.
Dr. Klaus Mühlbauer ist Kapitalmarktexperte mit langjähriger Börsen- und Vertriebserfahrung. Seit 2013 ist er als selbstständiger Unternehmensberater, Buchautor und Referent für Kapitalmarktseminare tätig. In unserem Online-Magazin beleuchtet er den Finanzmarkt und teilt sein Investment-Know-how.
Ergänzung des Umlageverfahrens durch Kapitaldeckung
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) basiert seit 1957 auf einem Umlageverfahren. Allerdings reichen die eingezahlten Beiträge nicht aus und so werden Rentenzahlungen zunehmend durch steuerfinanzierte Bundeszuschüsse unterstützt.
DRV: Gesicherte Rentenzahlungen nur dank hoher Bundeszuschüsse
Jahr | Beitragseinnahmen | Ausgaben der DRV | Bundeszuschüsse |
---|---|---|---|
2023 | 289,4 Mrd. € | 374,7 Mrd. € | 84,3 Mrd. € |
2027 (progn.) | 336,5 Mrd. € | 455,7 Mrd. € | 101,4 Mrd. € |
Ein ergänzendes Kapitaldeckungssystem zur Rentensicherung ist daher sinnvoll. Seit der Reform im Jahr 1999 dient das schwedische Rentensystem als Vorbild:
- 16 % des Bruttogehaltes gehen in die umlagefinanzierte Rente,
- weitere 2,5 % müssen in Investmentfonds investiert werden. Schwedische Arbeitnehmer können aus mehr als 400 Fonds wählen oder den staatlichen siebten allgemeinen Pensionsfonds AP74 („Sjunde Allmänna Fonden“) nutzen.
Das geförderte deutsche Altersvorsorgedepot ist an das schwedische Modell angelehnt.
Positivliste: Welche Wertpapiere im Altersvorsorgedepot möglich sind
Das Altersvorsorgedepot stellt Renditechancen in den Vordergrund und verzichtet auf Kapitalgarantien. Eine kostenlose digitale Plattform soll Transparenz und Kostenbewusstsein fördern. Zugelassen sind:
- Investmentfonds (OGAW-Fonds), darunter aktiv verwaltete ebenso wie Exchange Traded Funds, ETFs, bis zur Risikoklasse 5 (der 7 SRI-Risikoklassen).
- Einzelaktien, die im Europäischen Wirtschaftsraum handelbar sind.
Staatliche Förderung des Altersvorsorgedepots
Investitionen in Produktivkapital sollen Renditechancen stärken und zukünftige Kaufkraftverluste abfedern. Dafür ist eine staatliche Förderung vorgesehen:
- Bis zu 3.000 € jährlich (ab 2030 3.500 € p. a.) können Vorsorgende eine Förderung von 20 % (maximal 600 €) erhalten, wenn sie mindestens 120 € pro Jahr selbst einzahlen.
- Eltern mit Kindern unter 18 Jahren bekommen zusätzlich 25 % Förderung bis maximal 300 € pro Kind jährlich.
- Bei einem Bruttoeinkommen unter 26.250 € jährlich gibt es einen zusätzlichen Bonus von 175 €.
- Investierende unter 25 Jahren können 3 Jahre lang einen Bonus von 200 € erhalten.
In der Ansparphase bleiben Erträge steuerfrei. Steuern fallen erst bei einer Auszahlung ab dem 62. (oder 65.) Lebensjahr an. Diese Rahmenbedingungen sind bereits von fondsgebundenen Rentenversicherungsverträgen bekannt.
Pro und Contra des geförderten Altersvorsorgedepots und individueller Kapitaldeckungssysteme
Mit Riester- und Rürup-Verträgen gibt es bereits seit vielen Jahren kapitalgedeckte Altersvorsorgeprodukte. Neu ist der Fokus auf Rendite zur Sicherung der Kaufkraft. Der Verzicht auf Kapitalgarantien kann das Renditepotenzial steigern, doch Rendite gibt es nicht „umsonst“. Marktschwankungen müssen in Kauf genommen werden. Die Frage, wie Altersvorsorgende mit Kapitalmarktschwankungen in der Ansparphase umgehen werden, findet bisher jedoch kaum Beachtung.
Derzeit scheiden sich die Geister vor allem an der Auszahlphase: Hier stehen sich Modelle von lebenslangen Renten und Fondsauszahlplänen gegenüber. Studien der maßgeblichen Verbände – Bundesverband Investment und Asset Management, BVI, sowie Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, GDV – kommen wenig überraschend zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Wertpapierauswahl. Die Einbindung von Einzelaktien könnte das Risiko erhöhen und sollte im Hinblick auf eine breite Risikostreuung überarbeitet werden.
Fazit: Kapitaldeckung als sinnvolle Ergänzung
Kapitaldeckung kann das Umlagesystem sinnvoll ergänzen und insbesondere junge Menschen durch ETF-Sparpläne ansprechen. Eine Auswahl an staatlich geförderten Produkten – sowohl mit als auch ohne Kapitalgarantie – könnte dazu beitragen, die unterschiedlichen Vorsorgebedürfnisse abzudecken.
Reality Check: Rendite oder Garantie – was ist gefragt?
Auswahlmöglichkeiten | Ergebnisse der Befragung |
---|---|
100 % Kapitalgarantie und weniger Rendite | 43 % |
80 % Kapitalgarantie | 36 % |
0 % Garantie, dafür Fokus auf Rendite | 21 % |
Ein Appell an Berater
Finanzprodukte – und damit vermutlich auch das Altersvorsorgedepot und weitere Kapitaldeckungssysteme – werden verkauft und nicht gekauft. Eine qualifizierte Finanzberatung ist deshalb essenziell. Auch bei der Umsetzung des pAV-Reformgesetzes sollten deswegen Finanzberater unbedingt „ins Boot geholt“ werden.
Die Gefahr scheint groß, dass durch die dramatischen politischen Ereignisse in Berlin große Verwirrung um geförderte Altersvorsorgeprodukte entsteht. Am besten sprechen Sie Ihre Kunden gleich darauf an. Damit können Sie zum einen Klarheit schaffen und zum anderen vielleicht noch dieses Jahr Kunden die Sorge vor ihrer finanziellen Zukunft nehmen. Schließlich sollte man – unabhängig von der Politik – mit der Altersvorsorge beginnen, bevor man Sorge hat.
Quellen
1 Bundesfinanzministerium – Fragen und Antworten zur Reform der geförderten privaten Altersvorsorge
2 Bundesfinanzministerium – Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (pAV-Reformgesetz)
3 Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge, S. 90 ff.
4 In English | ap7.se