Ertrag kommt von ertragen!
Gastbeitrag von Dr. Klaus Mühlbauer
„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“ ist ein altbekanntes Sprichwort und mahnt zur Vorsicht bei Konsumausgaben. Doch damit man in der Not auch wirklich ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung hat, reicht sparen alleine schon lange nicht mehr aus. Vielmehr gilt es, sich gezielt darüber Gedanken zu machen, wie man seine Ersparnisse gewinnbringend anlegen kann. Im aktuellen Niedrigzinsumfeld ist diese Überlegung wichtig und dringend zugleich. Warum Erträge auch in einer zinslosen Welt von überragender Bedeutung sind, dazu hat sich Dr. Klaus Mühlbauer, Referent für Kapitalmarktseminare, Gedanken gemacht.
Dr. Klaus Mühlbauer ist Kapitalmarktexperte mit langjähriger Börsen- und Vertriebserfahrung. Seit 2013 ist er als selbstständiger Unternehmensberater, Buchautor und Referent für Kapitalmarktseminare tätig. In unserem Online-Magazin beleuchtet er den Finanzmarkt und teilt sein Investment-Know-how.
Erträge werden immer wichtiger
Warum soll mein Vermögen unbedingt wachsen? Kann man denn nicht einfach mit dem zufrieden sein, was man hat?
Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe, warum Erträge von besonderer Bedeutung sind: Zum einen wollen viele Menschen im Laufe der Zeit einen immer höheren Lebensstandard genießen. Zum anderen zwingt uns die langfristige Geldentwertung zum Erwirtschaften von Erträgen, um die Kaufkraft unseres Vermögens zu erhalten. Angespartes Geld, für das man keine Erträge erzielt, fällt langfristig dem Kaufkraftverlust zum Opfer!
Inflation ist im Grunde wie älter werden. Über Nacht merkt man’s nicht. Langfristig jedoch sind sowohl der Alterungsprozess als auch die Inflation deutlich spürbar! Im aktuell rezessiven Umfeld scheint Inflation keine große Herausforderung fürs eigene Vermögen zu sein.
Regierungen ebenso wie Zentralbanken wollen jedoch möglichst zügig Teuerungsraten von mindestens 2 % erreichen. Benötigt man beispielsweise für den Erwerb von Gütern und Dienstleistungen heute 1.000 Euro, wird dieselbe Menge an Gütern und Dienstleistungen bei Preissteigerungen von 2 % in 10 Jahren bereits 1.219 Euro kosten.
Jahresanfang (in €) | Inflationsrate | Jahresende (in €) | |
---|---|---|---|
Jahr 1 | 1.000 | 2 % | 1.020 |
Jahr 2 | 1.020 | 2 % | 1.040 |
Jahr 3 | 1.040 | 2 % | 1.061 |
Jahr 4 | 1.061 | 2 % | 1.082 |
Jahr 5 | 1.082 | 2 % | 1.104 |
Jahr 6 | 1.104 | 2 % | 1.126 |
Jahr 7 | 1.126 | 2 % | 1.149 |
Jahr 8 | 1.149 | 2 % | 1.172 |
Jahr 9 | 1.172 | 2 % | 1.195 |
Jahr 10 | 1.195 | 2 % | 1.219 |
An drei Beispielen lässt sich erkennen, dass Inflation absolut notwendig ist, nämlich für
- Schuldner, damit sich auch der Gegenwert ihrer Verbindlichkeiten verringert. Größter Schuldner fast jeden Landes ist der Staat.
- Wirtschaftswachstum. Schließlich ist das Bruttoinlandsprodukt keine Mengengröße, sondern eine Wertgröße. Das bedeutet, dass die Menge an erschaffenen Gütern und erbrachten Dienstleistungen in Euro errechnet wird. Gestiegene Preise führen folglich zu gestiegener Wirtschaftsleistung.
- das Steueraufkommen. Höhere Preise führen zu höheren Umsatzsteueraufkommen. Und die Umsatzsteuer macht in Deutschland etwa ein Viertel des gesamten Steueraufkommens aus.
Möchte man also die langfristig zu erwartende Geldentwertung für sein Vermögen mindestens ausgleichen, geht das nur über Zuwächse. Entweder man spart und investiert mehr oder man setzt auf Erträge aus seinem Vermögen.
Erträge sind die Stromgrößen für einen größeren Vermögensbestand
An den Märkten gibt es nichts (mehr) geschenkt! Für jede Art von Ertrag sind Risiken und Kosten hinzunehmen. In einer Welt ohne Zinsen gibt es statt risikoloser Erträge lediglich noch ertragslose Risiken. In Zeiten als Sparbücher noch 1 % Zins abwarfen, musste man für diese kleinen Erträge keine Risiken und kaum Kosten auf sich nehmen. Geringe Zinsen gab es praktisch geschenkt. Heute muss man selbst für geringe Zinsen Risiken eingehen, beispielsweise Emittenten- oder Währungsrisiken und gegebenenfalls Kosten akzeptieren.
Egal wie man sein Vermögen anlegt, es gilt immer das gleiche Prinzip: Jede Anlageklasse ist für sich gesehen wie eine Medaille, die jeweils eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite hat. Die „gute“ Seite der Medaille steht jeweils für die Chance auf Erträge. Die „schlechte“ Seite sind hingegen die Risiken und Kosten, die es im wahrsten Sinne des Wortes zu ertragen gilt:
- Legt man sein Geld auf ein Sparbuch oder Tagesgeldkonto, muss man Nullzins und damit den Kaufkraftverlust seiner Ersparnisse ertragen.
- Kauft man eine Immobilie, dann gilt es, die hohen Transaktionskosten sowie den dafür zumeist notwendigen „Schuldenberg“ zu ertragen.
- Bestückt man sich mit Goldmünzen, dann sind Einbruchsrisiken oder die notwendigen Tresorkosten zu ertragen.
- Investiert man in Aktien und Aktienfonds, dann sind Schwankungen – bis hin zu Börsencrashs – zu ertragen.
Am besten ist es, sich in einem ersten Schritt diese Zusammenhänge bewusst zu machen und sein gewünschtes Ertragsziel festzulegen. In einem zweiten Schritt legt man dann individuelle Gewichtungen fest, welche Ertragschancen man erreichen möchte und welche Risiken man mit welchem Teil seines Vermögens dafür ertragen möchte.
Beispielsweise könnte durchschnittlich 3 % Ertrag pro Jahr das langfristige Ziel für ein Vermögen sein. Das Startkapital von 1.000 Euro kann damit nach 10 Jahren auf 1.345 Euro gesteigert werden.
Jahresanfang (in €) | Inflationsrate | Jahresende (in €) | |
---|---|---|---|
Jahr 1 | 1.000 | 3 % | 1.030 |
Jahr 2 | 1.030 | 3 % | 1.061 |
Jahr 3 | 1.061 | 3 % | 1.093 |
Jahr 4 | 1.093 | 3 % | 1.126 |
Jahr 5 | 1.126 | 3 % | 1.160 |
Jahr 6 | 1.160 | 3 % | 1.195 |
Jahr 7 | 1.195 | 3 % | 1.231 |
Jahr 8 | 1.231 | 3 % | 1.268 |
Jahr 9 | 1.268 | 3 % | 1.306 |
Jahr 10 | 1.306 | 3 % | 1.345 |
Doch wie kann man im heutigen Zinsumfeld durchschnittlich 3 % Ertrag pro Jahr erwirtschaften? Eine mögliche und zugleich einfache Lösung: indem man zum Beispiel die Hälfte seines Vermögens auf einem Sparbuch zu 0 % Zins deponiert. Die andere Hälfte investiert man in weltweite Aktienfonds mit durchschnittlichen jährlichen Renditechancen von 6 %. 0 % Rendite multipliziert mit 50 % Gewichtung und 6 % Renditechance multipliziert mit 50 % Gewichtung ergibt die durchschnittlich anvisierten 3 % Rendite pro Jahr.
Denken Sie immer daran: Ohne Erträge geht es nicht, und „Ertrag kommt von ertragen“!