Billig, billig, billig. ETFs als Patentlösung?

Gastbeitrag von Dr. Klaus Mühlbauer:  

„In guten wie in schlechten Zeiten!“ Ebenso wie in einer Ehe gilt dieser Leitsatz für Indices und ETFs. Man bleibt zusammen. Egal ob die Börsen steigen oder fallen. Während jedoch die Zahl der Eheschließungen in Deutschland seit Jahren rückläufig ist, nimmt die Zahl von ETFs stetig zu. Im Windschatten steigender Aktienkurse wurden im vergangenen Jahr vor allem zahlreiche Themen-ETFs aufgelegt. Die Zukunft wird zeigen, ob die „ETF-Euphorie“ auch in fallenden Märkten anhält. In welchen Märkten und Marktsegmenten ein Engagement in ETFs für Investoren sinnvoll erscheint, dazu hat sich Dr. Klaus Mühlbauer, Referent für Kapitalmarktseminare, Gedanken gemacht.

Dr. Klaus Mühlbauer ist Kapitalmarktexperte mit langjähriger Börsen- und Vertriebserfahrung. Seit 2013 ist er als selbstständiger Unternehmensberater, Buchautor und Referent für Kapitalmarktseminare tätig. In unserem Online-Magazin beleuchtet er den Finanzmarkt und teilt sein Investment-Know-how.

Die Wahrheit steckt im Index

Bei Investmentfonds gilt: Nur wer den zugrunde gelegten Index kennt, kann auch die zu betrachtenden Fonds beurteilen. Das gilt bei aktiv verwalteten Fonds ebenso wie insbesondere bei passiv gesteuerten, börsengehandelten Indexfonds (Exchange Traded Funds, ETFs). Während jedoch in den Factsheets aktiver Fonds neben dem Vergleichsindex lediglich die 10 größten Positionen benannt sind, bieten ETFs den Vorteil größtmöglicher Transparenz. Kennt man die Wertpapiere des Index, kennt man auch die detaillierte Zusammensetzung des ETF.

Aktiv oder passiv – beides sind Investmentfonds

Investmentfonds sind Sondervermögen. Dieser Umstand bietet Fondsinvestoren eine besondere Sicherheit: Geht eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) in Konkurs, bleiben Kundengelder davon unberührt. Schließlich handelt es sich bei Fonds um einen gesondert verwalteten Vermögensbestand.

Dieser besondere Schutz trifft gleichermaßen auf aktiv verwaltete Fonds und auf börsengehandelte ETFs zu. Lediglich bei der Art und Weise, wie man Kundengelder verwaltet, lassen sich 2 unterschiedliche Vorgehensweisen voneinander abgrenzen: aktiv oder passiv. Mensch oder Maschine. Während Fondsmanager die Zusammensetzung ihres Portfolios aktiv steuern, bilden Algorithmen einen vorgegebenen Index passiv nach.

Kosten bei ETFs: Das sollten Sie wissen

Algorithmen („Maschine“) können kostengünstig das laufende Nachbilden von Indices übernehmen. ETFs werben daher oft mit Kostenersparnissen gegenüber aktiv verwalteten Fonds („Mensch“). Nur wer ETFs häufig handelt, ist auch von der Differenz der An- und Verkaufskurse (Spreads) tatsächlich betroffen.

Bei der auf Kosten reduzierten Betrachtung ist jedoch nicht zu vergessen, dass aktiv verwaltete Fonds und passiv gesteuerte ETFs unterschiedliche Ziele verfolgen:

In welchen Märkten lohnt es sich, auf ETFs zu setzen?

Der Gründer der Vanguard Group, John Bogle, wird häufig mit seinen markigen Worten zitiert:

„Suche nicht nach der Nadel im Heuhaufen. Kaufe einfach den Heuhaufen.“

Hintergrund dieser Aussage ist der Umstand, dass Bogle nicht an eine erfolgreiche selektive Wertpapierauswahl (Stock-Picking) von aktiven Portfoliomanagern glaubte. Er setzte auf Investments in komplette Märkte. In Zeiten zunehmend komplexer Produkt- und Kapitalmärkte erscheint eine Differenzierung von Bogles Aussage angebracht.

Im Jahr 2013 wurde der Wirtschaftswissenschaftler Eugene Fama für seine Markteffizient-Hypothese (MEH) mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Demnach ist ein Markt als effizient einzuordnen, wenn alle Marktteilnehmer zur selben Zeit alle marktrelevanten Informationen besitzen. Besser abzuschneiden als ein effizienter Markt, wie beispielsweise der breite amerikanische Aktienmarkt, ist gemäß der MEH dauerhaft sehr schwer. Den „Heuhaufen“ in Form eines ETFs zu kaufen, könnte bei effizienten Märkten eine passende Idee sein.

In weniger effizienten Märkten, wie beispielsweise in Schwellenländern (Emerging Markets) oder im Segment kleiner Unternehmen (Small Caps und Micro Caps), haben aktive Portfoliomanager gute Chancen, eine Überrendite (Outperformance) zu liefern. Die Suche nach „der Nadel im Heuhaufen“ könnte in diesem Fall erfolgreich verlaufen und ein aktiv verwalteter Fonds die bessere Wahl sein.

Aus diesem Blickwinkel stellen ETFs eine Art Wette auf die Effizienz von Märkten dar.

Wächst immer mehr zusammen: aktiv und passiv

Bei passiv gesteuerten Fonds greifen Menschen immer dann aktiv ein, wenn ausgewählte Faktoren bei der Indexkonstruktion eine besondere Rolle spielen. Sogenannte Faktor-ETFs (Smart-Beta-ETFs) berücksichtigen 5 mögliche Faktoren bei der Index- und damit der ETF-Gestaltung.

5 Faktoren und Beschreibung der auszuwählenden Wertpapiere

5 FaktorenArten von Wertpapieren
Smaller SizeKleine Unternehmen (Small Caps oder Micro Caps)
Value (wertorientiertes Investieren)Aktien mit Sicherheitsabschlag („Margin of Safety“), bezogen auf deren Fundamentaldaten
MomentumTitel mit positivem Kurstrend
QualityUnternehmen mit besonders soliden Bilanzen
Minimum VolatilityAktien mit geringeren Schwankungen als der Markt

Zeitgleich entstehen immer mehr an der Börse gehandelte Fonds, die aktiv verwaltet werden. Die Schnittmenge zwischen Mensch und Maschine wird größer und die Produktlandschaft zunehmend komplexer.

Untrennbar miteinander verbunden: Index und ETF

Im Jahr 2019 sind 416.000 Paare in Deutschland vor den Traualtar getreten. 2020 waren es (sicher auch pandemiebedingt) nur 373.000. Anders in der ETF-Welt. 2020 konnten Anleger weltweit aus 7.400 ETFs auswählen, 2021 bereits aus 8.500. Fokussieren Sie sich in dieser komplexen Welt am besten auf den Index. Denn in der „Ehe“ von Index und ETF gilt weiterhin der Leitsatz: „In guten wie in schlechten Zeiten!“

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