Die private Rentenversicherung zwischen Wissenschaft und Religion

Die gesetzliche Rentenversicherung ist ein wichtiger Pfeiler der Altersvorsorge. Sie ist aber zu schwach, um die gesamte Altersvorsorge allein stemmen zu können. Es wird deshalb auch künftig nicht ohne private Vorsorge gehen. Vom Grundsatz her, das zeigen Studien1, ist eine private Rentenversicherung sinnvoll. Nur sie liefert Planungssicherheit im Alter.

Eine private Rentenversicherung ist also viel besser als ihr Ruf und sie macht auch Sinn! Es ranken sich jedoch viele Mythen und Vorurteile um die private Rentenversicherung, die leider vom Gesamtblick ablenken.

In diesem Klartext-Artikel: Warum ist die private Rentenversicherung ein wichtiger Baustein bei der Altersvorsorge? Und welche Aspekte sind bei der Auswahl der privaten Rentenversicherung wirklich wichtig?

Der weitverbreitete Glaube an die einfache Hochrechnung2 und den Backtest3 hält sich hartnäckig. Zum Nachteil der Kunden wird dadurch oft bei der Auswahl der privaten Rentenversicherung die Spreu vom Weizen nicht getrennt.

Leider ist auch das Produktangebot am Markt noch nicht im neuen Jahrtausend angekommen. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum die Verrentung gegen Einmalbeitrag in Deutschland weiterhin nicht vom Fleck kommt. Und das, obwohl bei der Zielgruppe genügend Geld sinnfrei versauert. Tatsächlich bunkern wir Deutschen unzählige Milliarden auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten. Das ist ein echtes Paradoxon: Seit Jahrzenten sinken die Zinsen, während die Gelder auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten ständig neue Höchststände erreichen.

Planungssicherheit im Alter liefert nur eine Rentenversicherung

Zweifelslos ist und bleibt die gesetzliche Rente ein wichtiger Teil der Altersvorsorge. Dieser Pfeiler wird jedoch immer schwächer. Die steigende Lebenserwartung und die niedrige Geburtenrate sind für das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung gleich doppelt toxisch: Immer weniger Arbeitnehmer müssen immer mehr Rentner finanzieren.

Wer lebenslang Ausgaben hat, braucht auch lebenslang Einnahmen.

Als Folge davon sinkt seit Jahren das Rentenniveau, also das Verhältnis von gesetzlicher Standardrente zum Durchschnittsverdiener. Aktuell liegt es bereits unter 50 %4. Diese Lücke muss durch eine private Vorsorge geschlossen werden.

Niemand weiß, wie lange er lebt. Und damit weiß auch niemand, wie lange das vorhandene Geld reichen muss. Deshalb ist jeder einem finanziellen Risiko ausgesetzt – er lebt vielleicht länger als das angesparte Geld ausreicht.

Im Alter droht fast allen dieses Problem: „Mein Geld ist schon weg, aber ich bin noch da“!

Um die Rentenlücke zu schließen, gibt es neben der privaten Rentenversicherung grundsätzlich auch andere Möglichkeiten: beispielsweise eine Immobilie, die klassische Kapitalanlage oder Entnahmepläne.

Geht es um die Planungssicherheit, dann hat die Rentenversicherung bei der privaten Altersvorsorge ganz klar die Poleposition. Dennoch tut sich die Rentenversicherung bei der Akzeptanz in der Bevölkerung sichtlich schwer.

Mieteinnahmen und Dividenden können zeitweise ausfallen und ein Entnahmeplan kann bei ungünstiger Wertentwicklung der Kapitalanlage schon sehr früh enden. Dagegen liefert die private Rentenversicherung monatliche Einnahmen bis zum Lebensende – wann auch immer das sein wird.

Mythen machen es der Rentenversicherung schwer

Mythos: „Aufgrund der hohen Produktkosten ist eine private Rentenversicherung nicht attraktiv.“

Die private Rentenversicherung gilt als teuer und verbunden mit vielen Kosten. Betrachtet man es genauer, ist dieses Vorurteil nicht haltbar.

Zunächst einmal sollten die Produktkosten kein Kriterium bei der Wahl zwischen einer privaten Rentenversicherung und den anderen Altersvorsorgemöglichkeiten sein. Der Steuervorteil einer privaten Rentenversicherung macht bei sachgemäßer Anwendung die Produktkosten mehr als wett.

Neben der erwähnten Planungssicherheit schlägt auch der Steuervorteil bei einer privaten Rentenversicherung kräftig zu Buche. Das macht sie doppelt attraktiv.

Wenn Sie dann die passende private Rentenversicherung auswählen möchten, ist die reine Betrachtung der Produktkosten bei einem Produktvergleich auch nicht zielführend. Wichtig beim Produktvergleich ist das Rendite-Risiko-Profil einer Rentenversicherung. Solch ein Profil wird durch stochastische Hochrechnungen auf Basis eines einheitlichen, mathematischen Modells ermittelt. Dadurch lassen sich die einzelnen Rendite-Risiko-Profile der Produkte miteinander vergleichen. Die für jede Rentenversicherung durchgeführte Rendite-Simulation berücksichtigt neben der jeweiligen Tarifgestaltung auch die konkreten Produktkosten. Eine separate Betrachtung und ein Vergleich der Produktkosten werden überflüssig: Hohe beziehungsweise tiefe Kosten wirken sich direkt auf das Profil aus. Ein identisches Produkt mit höheren Produktkosten bekommt dadurch ein schlechteres Rendite-Risiko-Profil.

Rendite-Risiko-Profile von privaten Rentenversicherungen stellt beispielsweise das Rating- und Analyse-Unternehmen Morgen & Morgen mit Volatium5 zur Verfügung.

Mythos: „Der garantierte Rentenfaktor ist ein wichtiges Auswahlkriterium bei einer privaten Rentenversicherung.“

Der Rentenfaktor einer privaten Rentenversicherung ist eine Art Wechselkurs, mit dem bei Rentenbeginn das vorhandene Vertragsguthaben in eine lebenslange Rente umgewandelt wird. Der Rentenfaktor wird oft als ein Geldbetrag pro 10.000 € Guthaben angegeben. Das bedeutet: Beträgt er beispielweise 20 €, erhält der Kunde pro 10.000 € Vertragsguthaben zum Rentenbeginn monatlich 20 € Rente. Bei einem Guthaben von 200.000 Euro ergibt sich demnach eine monatliche Rente von 400 €6.

Die Berechnung des Rentenfaktors basiert auf den individuellen Rechnungsgrundlagen eines Unternehmens. Zentral sind dabei die Annahmen zum Rechnungszins sowie die Annahmen zur Lebenserwartung im Bestand des Versicherers. In der Regel gilt: Je vorsichtiger ein Unternehmen diese Annahmen wählt, desto niedriger fällt der Rentenfaktor aus. Umgekehrt gilt aber auch: Je höher der Rentenfaktor ist, desto höher fällt die resultierende Startrente bei Rentenbeginn aus.

Deshalb kann man sagen: Ein höherer Rentenfaktor ist grundsätzlich besser. Doch aufgepasst, es gibt nicht nur „den“ einen Rentenfaktor. Und auch wenn sich ein Rentenfaktor „garantiert“ nennt, bedeutet das nicht, dass er tatsächlich in Stein gemeißelt ist.

Zunächst gibt es den aktuellen Rentenfaktor. Obwohl dieser Wert in den Vertragsvorschlägen der Lebensversicherer prominent in den Fokus gerückt wird, ist er ziemlich unwichtig. Der Grund: Dieser Rentenfaktor wurde nach den aktuellen Rechnungsgrundlagen kalkuliert. Diese Grundlagen können sich jedoch bis zur Rente deutlich verändern. Der aktuelle Rentenfaktor besagt demnach nur, wie der „Wechselkurs“ aussehen würde, wenn genau zu Vertragsbeginn auch der Rentenbeginn wäre.

Dann gibt es den garantierten Rentenfaktor. Dieser liegt in der Regel deutlich unterhalb des aktuellen Rentenfaktors. „Garantiert“ bedeutet hier aber nur „bedingt garantiert“, denn: Neben Anpassungsmöglichkeiten, die der Versicherer eventuell in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufführt, gibt es unabhängig davon den Paragrafen 163 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Nach diesem kann mit Zustimmung eines unabhängigen, aktuariellen Treuhänders der garantierte Rentenfaktor angepasst werden. Dies kann zum Beispiel bei einer unerwartet starken Erhöhung der Lebenserwartung im Bestand möglich sein. Zusätzlich gibt es noch Paragraf 314 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG). Basierend auf diesem sogenannten „Notstandsparagrafen“ kann die Aufsichtsbehörde die Verpflichtungen eines Lebensversicherers entsprechend herabsetzen.

Und dann gibt es noch einen weiteren Faktor: den tatsächlichen Rentenfaktor. Dabei handelt es sich um den Faktor, der zum tatsächlichen Rentenbeginn mit den dann gültigen Rechnungsgrundlagen ermittelt wird. Und dieser wird dann auch für die Berechnung der Rente herangezogen.

Entscheidend für den Kunden ist der tatsächliche Rentenfaktor bei Rentenbeginn und während der Rentenphase. Diesen kennt der Kunde (und der Versicherer) aber erst genau dann!

In der Realität spielt demnach der garantierte Rentenfaktor überhaupt keine Rolle, denn: Wenn es gut läuft, wird er nicht angewendet, weil der tatsächliche Rentenfaktor höher ist. Und in Extremfällen kann der garantierte Rentenfaktor nach unten angepasst werden.

Mehr zu den Rentenfaktoren einer privaten Rentenversicherung erfahren Sie in diesem früheren Klartext-Artikel.

Was bei einer Rentenversicherung wirklich wichtig ist!

Nachdem wir mit zwei Mythen aufgeräumt haben, kommt es jetzt nur noch auf die richtige Auswahl an. Was ist tatsächlich wichtig bei einer privaten Rentenversicherung? Worauf müssen Sie achten?

  1. Bei Rentenbeginn sollte möglichst viel Kapital zur Verrentung zur Verfügung stehen

Die gewählte Rentenversicherung sollte in der Ansparphase ausreichend und nachweislich renditestark sein. Möchten Sie die Rendite-Chancen einschätzen, können Sie getrost auf die klassische Hochrechnung2 und den Backtest3 der Anbieter verzichten. Sie helfen Ihnen nicht, die Rendite-Chancen des Produkts richtig zu bewerten. Schauen Sie stattdessen besser auf das Rendite-Risiko-Profil. Ein sachgemäßes Rendite-Risiko-Profil berücksichtigt die realen Produktkosten, sodass ein separater Kostenvergleich absolut überflüssig ist.

  1. Die Kapitalanlage ist auch in der Rentenphase wichtig

Die Performance der Kapitalanlage ist neben der Bestandsentwicklung (Entwicklung der Lebenserwartung im Bestand des Lebensversicherers) die treibende Kraft für künftige Rentensteigerungen. Deshalb ist es wichtig, dass auch in der Rentenphase ein echter Kapitalmarktbezug vorliegt. Leider bieten momentan noch nicht einmal 20 % der Lebensversicherer7 eine anlageorientierte Rentenphase in ihren Produkten an. Dies ist völlig unverständlich, da die Rentenphase, also die zweite Halbzeit einer Rentenversicherung, genauso lang sein kann wie die Sparphase. Deshalb müssen Sie auch dort die Kapitalanlage gleich stark beachten.

  1. Optionen während der Spar- und Rentenphase sowie beim Rentenbeginn

Das Leben ist voller Überraschungen. Schnell hat sich die Lebenssituation des Kunden um 180 Grad gedreht. Dann ist es gut, wenn sich die Rentenversicherung an die neue Lebenssituation anpassen lässt:

Das müssen Sie sich merken!

Letztlich sind es nur ganz wenige Punkte, die auf Ihrer Fakten-Liste zur Rentenversicherung nicht fehlen dürfen:

Zu guter Letzt: Innovation geht auch bei der Rentenversicherung – und sogar in der Rentenphase

Noch nicht einmal 20 % der Lebensversicherer7 bieten eine anlageorientierte Rentenphase an. Die Sparphase hat sich in den letzten Jahren so stark gewandelt, dass sie kaum noch (rein) klassisch ist. Dagegen ist dies bei der Rentenphase meist noch immer der Fall. Dabei ist Rendite auch in der Rentenphase sehr wichtig. Diese Inkonsistenz zwischen der Spar- und der Rentenphase muss flächendeckend endlich ein Ende finden.

Für Kunden ist die Vorstellung, sich lebenslang an eine Rentenversicherung zu binden, eventuell unheimlich. Wie wäre es, wenn der Kunde einer Rentenversicherung jederzeit und ohne Abschläge an sein Guthaben kommen könnte? Oder noch besser: Wie wäre es mit einer zeitlich befristeten Rentenphase (Auszahlungsplan)?

Und was ist mit Kunden, die wegen Vorerkrankungen nur eine reduzierte (aber immer noch ungewisse) Lebenserwartung haben? Hier ist die sogenannte Vorteilsrente8 ein valides Rentenprodukt. Auch die Umkehrhypothek9 könnte künftig ein nützliches Produkt-Feature bei einer privaten Rentenversicherung sein.

Der Vermittler muss deshalb bei der Produkt- und Anbieterauswahl kritisch bleiben. Er sollte bei den Anbietern moderne Rentenversicherungen einfordern. Rentenversicherungen, die nicht nur ihrem Namen nach danach klingen, sondern es tatsächlich auch sind. Und das bitte auch in der Rentenphase!

Fazit

Innovation geht auch bei einer privaten Rentenversicherung, vor allem auch in der Rentenphase. Wichtig ist, dass der mögliche Kundenbedarf auch während der Rentenphase abgedeckt werden kann. Entscheidend ist, dass Lebensversicherer auch die passenden Produkte bereitstellen. Und natürlich müssen Vermittler moderne Produkte bei den Anbietern einfordern – und diese dann auch an die Kunden bringen!


Quellen & Anmerkungen

1 Beispielsweise die Studie „Bedarfsgerecht, aber unbeliebt – Nutzen und Akzeptanz der lebenslangen Rente“ von der Gesellschaft für Finanz- und Aktuarwissenschaften mbH. Download als PDF unter: https://www.ifa-ulm.de/fileadmin/user_upload/download/sonstiges/2018_ifa_Russ-Schelling_Bedarfsgerecht-aber-unbeliebt-Nutzen-und-Akzeptanz-der-lebenslangen-Rente.pdf

2 Was ist eine einfache (oder auch klassische) Hochrechnung? Dies ist eine Hochrechnung von möglichen Leistungen zum Ablauftermin auf Basis eines konstanten Wertentwicklungssatzes, beispielsweise von 3 % oder 6 %. Dabei wird weder darauf eingegangen, ob der Prozentsatz sinnvoll und möglich ist, noch mit welcher Wahrscheinlichkeit er eintreten kann. Unabhängig davon können bei einer einfachen Hochrechnung typischerweise produktspezifische Besonderheiten bei der Kapitalanlage nicht abgebildet werden. Solche Besonderheiten sind beispielsweise periodische Umschichtungen.

3 Bei einem Backtest werden auf das Produkt historische Daten wie zum Beispiel die Wertentwicklung einer Kapitalanlage angewendet. Damit wird beispielsweise diese Frage beantwortet: Wie wäre das Guthaben des Produktes verlaufen, wenn es „damals“ (z. B. 2009) bereits gestartet wäre. Schwierig daran: Zum einen handelt es sich bei den historischen Daten nur um eine mögliche Entwicklung. Zum anderen hat die Wahl des betrachteten Zeitraumes einen großen Einfluss auf das Ergebnis. Außerdem werden dabei oft auch nicht ganz faire Annahmen getroffen: So kann bei einem Backtest „zufällig“ die Kapitalanlage mit der historisch besten Performance verwendet werden. Oder es wird ein früherer Rechnungszins angewandt. Beides rechnet das Produkt unverhältnismäßig „schön“.

4 Das aktuelle Rentenniveau können Sie auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung abrufen: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Rente/Allgemeine-Informationen/Wissenswertes-zur-Rente/FAQs/Gesetzesaenderungen/Leistungsverbesserungs_und_Stabilisierungsgesetz/Haltelinien_Rentenniveau.html#5ec5096a-8691-4f6f-9989-22b3cf0b23ed

5 Weitere Information zu Volatium finden Sie auf dieser Webseite: https://www.morgenundmorgen.com/data/volatium-modell

6 Man teilt das Guthaben von 200.000 € durch 10.000 € und multipliziert das Ergebnis mit dem Rentenfaktor 20. Damit erhält man die monatliche Rente von 400 € (Rechnung: 200.000 / 10.000 x 20 = 400).

7 Diese Angabe basiert auf eigener Marktrecherche im Herbst 2021. Damit soll nicht ausgedrückt werden, dass alle solche Produkte am Markt auch einen tatsächlich ausreichenden Kapitalmarktbezug haben und empfehlenswert sind.

8 Bei der Vorteilsrente handelt es sich um eine private Rentenversicherung, die den Gesundheitszustand der versicherten Person zum Rentenbeginn berücksichtigt. Je nach vorliegenden Erkrankungen wird die Lebenserwartung nach unten korrigiert und dem Kunden kann eine höhere Rente ausgezahlt werden. Vom Prinzip her, nur mit umgekehrtem Effekt, ist dies vergleichbar mit diesem Fall: Bei einer versicherten Person mit Vorerkrankungen bei einer Todesfallversicherung wird die Sterbewahrscheinlichkeit höher angesetzt. Dadurch wird eine höhere Prämie fällig.

9 Bei der Umkehrhypothek, im Englischen „Reverse Mortgage“, gilt: Ältere Immobilieneigentümer können das in der Immobilie gebundene Vermögen ihrer selbstgenutzten Immobilie in eine Zusatzrente umwandeln. Die Umkehrhypothek ist bisher im deutschsprachigen Raum noch nicht beliebt.

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